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LAMBSDORFF-Interview: Bundeskanzlerin Merkel sollte den Gipfel mit China absagen
Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff gab dem „RBB Inforadio“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Irina Grabowski:
Frage: Die geplanten US-Sanktionen, welche konkreten Wirkungen hätten die für Hongkong als internationalen Wirtschafts- und Finanzplatz?
Lambsdorff: Ja, diese Stellungnahme da aus Washington hat in Hongkong schon großen Schrecken ausgelöst, denn die amerikanische Regierung muss dem Parlament in den USA in Washington regelmäßig darüber berichten, ob Hongkong noch wirklich ein echter, sozusagen, ob es einen echten Unterschied gibt zum Rest Chinas. Und nach der Verabschiedung dieses Gesetzes hat eben die amerikanische Regierung jetzt erstmals festgestellt, nein, dieser Unterschied ist nicht mehr groß genug, um eine Sonderbehandlung, also eine Vorzugsbehandlung, zu rechtfertigen. Und jetzt gibt es eben tatsächlich diese Möglichkeit der Sanktion und für die Menschen in Hongkong, für den Finanzplatz, den Handelsplatz wäre das natürlich ein schwerer Schlag. Für Peking, für die Volksrepublik China vermutlich gar nicht mal so schlimm, aber für die Menschen in Hongkong wäre das ein echter Hammer.
Frage: Heißt das, die Sanktionen sind gar nicht der richtige Weg?
Lambsdorff: Ich bin nicht sicher, ob Sanktionen hier der richtige Weg sind. Ich glaube im Gegenteil, dass eine Sanktion, die sich direkt an Hongkong richtet, im Grunde genau der falsche Weg ist, sondern man muss schauen, was passiert eigentlich aus Peking heraus? Ist nicht Peking, ist nicht die Volksrepublik hier das Problem? Die hat ja zugesagt, Hongkong bis 2047, mindestens, nach dem Motto „Ein Land, zwei Systeme“ in der Demokratie, in der Freiheit, auch in der Marktwirtschaft zu lassen, während wir immer stärker zunehmenden Druck jetzt des kommunistischen Zentrums in Peking sehen auf diese freie Stadt Hongkong. Insofern müssten sich Aktionen eher gegen die Volksrepublik richten als gegen Hongkong selber.
Frage: Die EU-Länder haben sich abgestimmt und sind nun mehrheitlich gegen Sanktionen, auch keine Sanktionen gegen China und sie setzen auf Gespräche mit der chinesischen Führung. Warum?
Lambsdorff: Naja, wir haben ein relativ klares Statement des Rats der Außenminister gesehen gestern, das war ganz erfreulich. Allerdings: Sie haben recht und weisen ja auch darauf hin, was die Konsequenzen angeht, ist man sich nicht so recht einig. Und natürlich ist es schwierig, sich mit 27 Mitgliedsstaaten in relativ kurzer Zeit auf Sanktionen zu einigen, denn jeder Einzelne muss zustimmen, auch Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, die gute, enge Beziehungen zu China haben, die wirtschaftlich teilweise auch schon ein bisschen abhängig sind von China. Insofern, ich glaube, dass das der Hintergrund ist dafür, dass man jetzt hier nicht zu Sanktionen gegriffen hat.
Frage: China hat ja seine Grenzen wegen der Corona-Krise für Ausländer dichtgemacht, aber für die deutsche Wirtschaft eine Ausnahme gemacht, also die ersten 200 Firmenvertreter, ihre Angehörigen, sind heute per Sonderflug in China gelandet. Hätte Deutschland dieses Angebot ausschlagen sollen?
Lambsdorff: Nein, ich glaube man liegt falsch, wenn man jetzt die deutschen Firmen bestraft in einer Situation, in der Gesamteuropa nicht zu Sanktionen greifen will. Und vergessen wir eines nicht: Viele deutsche Firmen, auch im Sendegebiet, werden Vorprodukte aus China beziehen für ihre Produkte, die hier dann in Deutschland hergestellt werden. Das heißt, China ist eine komplexe Herausforderung. China ist auf der einen Seite ein Land, das diktatorisch regiert wird, es ist ein systemischer Wettbewerber, wenn man so will. Unsere offene, freie Gesellschaft ist ja etwas ganz anderes als das System, das von der Kommunistischen Partei in China dort betrieben wird. Aber es ist auf der anderen Seite auch ein Wirtschaftspartner und ein Absatzmarkt und hier den richtigen Weg zu finden, den richtigen Umgang, das ist nicht immer leicht. Nur, dass sich deutsche Unternehmen quasi selbst bestrafen sollten für diese politische Situation, das sehe ich persönlich nicht. Ich hätte es für richtig gehalten, wenn die Bundeskanzlerin den Gipfel mit China im September verschoben oder abgesagt hätte. Das glaube ich, ist das, was man in China merken wird, denn dieser Gipfel, der da geplant ist, der wird absehbar eine Propaganda-Veranstaltung für die chinesische Regierung und ich verstehe nicht, dass die Bundeskanzlerin dem Vorschub leistet.
Frage: Dieser Gipfel im September sollte in Leipzig stattfinden, Höhepunkt auch der deutschen EU-Ratspräsidentschaft und vermutlich jetzt alles nur noch per Videokonferenz. Was wäre denn die Alternative zu solch einer Konferenz, wenn man im Gespräch bleiben möchte?
Lambsdorff: Im Gespräch bleiben soll man, muss man und das tut man auch. Also, das ist ja ganz klar, China ist eine Weltmacht wie die USA auch, von daher gibt es ganz, ganz viele Gesprächskanäle, ganz, ganz viele Gesprächsformate. Die Außenminister reden miteinander, die Wirtschaftsminister, die Europäische Union ist mit China im Gespräch. Der Unterschied zu einem solchen Gipfel ist, dass ein solcher Gipfel eben eine Veranstaltung ist, bei der im Zweifel wenig Konkretes erreicht, wenig Konkretes besprochen werden kann, wo allerdings beide Seiten sich im besten Lichte darstellen können und insofern, ja zum Dialog, aber eben nein zu einer Veranstaltung, die zurzeit bei dem Verhalten Pekings gegenüber der freien Stadt Hongkong nicht akzeptabel ist.