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LAMBSDORFF-Interview: Ausweisung deutscher Diplomaten durch nichts gerechtfertigt
Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff gab der „Rhein-Neckar-Zeitung“ (Freitagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Andreas Herholz:
Frage: Auch Russland weist zwei deutsche Diplomaten aus. Droht der Konflikt um den mutmaßlichen Auftragsmord in Berlin zu eskalieren?
Lambsdorff: Der Mord im Tiergarten ist eine schwere Belastung für die deutsch-russischen Beziehungen. Mit der Ausweisung der Diplomaten spitzt sich der Konflikt noch weiter zu. Dass Russland jetzt deutsche Diplomaten ausweist, ist durch nichts gerechtfertigt. Deutschland hat in Russland keinen unfreundlichen Akt begangen. Es war aber so zu erwarten.
Frage: Präsident Wladimir Putin hat jede russische Beteiligung an der Ermordung eines Georgiers in der deutschen Hauptstadt bestritten. Der Generalbundesanwalt hat einen Anfangsverdacht. Wie bewerten Sie den Fall?
Lambsdorff: Der russische Botschafter in Deutschland hat zugesagt, dass russische Stellen jetzt helfen würden, den Fall aufzuklären. Die Bundesregierung muss ihn beim Wort nehmen und die Hilfe konkret einfordern. Es fehlt immer noch die offizielle Bestätigung der Identität des Tatverdächtigen. Unklar ist auch, wer seine Auftraggeber waren, die die Befehle erteilt haben. All das sollte Russland jetzt offenlegen. Wenn, wie der Präsident sagt, staatliche Stellen nicht beteiligt waren, dürfte das ja kein Problem sein.
Frage: Reiht sich der Fall nahtlos in die Serie von russischen Auftragsmorden ein?
Lambsdorff: Putins Äußerungen am Rande des Normandie-Gipfels passen definitiv in eine Reihe von Aussagen, mit denen regierungskritische Russen im Exil eingeschüchtert werden sollen. Ob die Tat selbst in die Kette von russischen Auftragsmorden passt, bleibt abzuwarten, das muss die Bundesanwaltschaft jetzt ermitteln. Aber wir sollten den Tiergarten-Mord nicht einfach so mit dem Mordversuch an Sergej Skripal in Großbritannien gleichsetzen. In Salisbury sind Chemiewaffen eingesetzt und zurückgelassen worden. Dort haben russische Agenten bewusst in Kauf genommen, dass Hunderte von Menschen hätten sterben können. Das ist von einer ganz anderen, viel schlimmeren Qualität. Aus diesem Grund hat Deutschland ja damals sogar vier russische Diplomaten ausgewiesen.
Frage: Washington will mit Sanktionen die Gaspipeline Nord Stream 2 verhindern. Außenminister Maas übt Kritik. Wie sollten Brüssel und Berlin reagieren?
Lambsdorff: Gerhard Schröder und die SPD von Heiko Maas sind doch die größten Unterstützer von Nord Stream 2. Jetzt hat sich ein außenpolitisches Desaster entwickelt, von Brüssel bis nach Washington. Deutschland steht in Europa und in Washington am Pranger, so kostet Nord Stream 2 Deutschland einen enorm hohen Preis. Aber die US-Sanktionen sollen nicht sofort gelten. Von hektischen Gegensanktionen kann man deshalb nur dringend abraten.