Stellv. Fraktionsvorsitzender

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Alexander Graf Lambsdorff
Pressemitteilung

LAMBSDORFF-Interview: Abzug würde die Region destabilisieren

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff gab der „Passauer Neuen Presse“ (Donnerstagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Andreas Herholz:

Frage: Der Iran hat US-Stützpunkte im Irak mit Raketen angegriffen. Wie groß ist nach Ihrer Einschätzung die Gefahr einer direkten militärischen Auseinandersetzung?

Lambsdorff: Ich halte sie für überschaubar, wenn alle rational handeln. Weder der Iran noch die USA haben ein Interesse an einem großen bewaffneten Konflikt. Der amerikanische Präsident würde damit im Wahljahr eines seiner wichtigsten Wahlversprechen brechen. In Teheran wiederum ist sich die Führung sehr genau bewusst, dass die iranischen Streitkräfte einem traditionellen, militärisch ausgetragenen Krieg gegen die amerikanische Supermacht in keiner Weise gewachsen sind. Es wäre das Ende des Regimes. In dieser Konstellation liegt eine gewisse Hoffnung, dass sich die Lage wieder entspannt.

Frage: Chamenei kündigt auch Angriffe auf Israel an. Droht jetzt ein Flächenbrand in Nahost?

Lambsdorff: Das Terrorregime in Teheran hat immer wieder erklärt, es wolle Israel auslöschen, die einzige Demokratie in der Region. Die Einheit, deren Kommandeur Soleimani war, heißt ja auch „Al Quds“-Brigade – arabisch für Jerusalem. Das zeigt, von wem die Aggression in der Region in erster Linie ausgeht, nämlich dem Iran. Aber die Lage in der Region kann auch Deutschland und Europa betreffen. Der Irak grenzt neben Syrien, Saudi-Arabien und den Iran nämlich auch an die Türkei – ein unmittelbarer Nachbar der EU. Ein Stellvertreterkrieg wie in Syrien, der die Region weiter destabilisiert, kann nicht in unserem Interesse liegen. 2015 hat gezeigt, dass die humanitären, wirtschaftlichen Folgen und politischen Folgen dramatisch ausfallen könnten.

Frage: Wie steht es um die Sicherheit der Bundeswehrsoldaten?

Lambsdorff: Die Gefährdungslage im Zentralirak ist extrem angespannt. Es gilt deswegen, was die FDP schon unmittelbar nach der Tötung Soleimanis am Freitag gefordert hat: Bundeswehr und Nato sollten ihre Ausbildung der irakischen Kräfte von Jordanien aus fortsetzen, denn im Camp Sonic in der Nähe von Amman ist die sichere Infrastruktur vorhanden. Für die Einheiten in Erbil, wo die Sicherheitslage eigentlich besser ist, muss die Bundesregierung nach dem Raketenangriff in der Sondersitzung des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag eine Einschätzung der Gefährdungssituation vorlegen, damit entschieden werden kann, ob die Soldaten bleiben können oder nicht.

Frage: Würde ein vollständiger Abzug der internationalen Truppen zum Wiedererstarken der Terrormiliz „Islamischer Staat“ führen?

Lambsdorff: Ja, das muss man so sehen und das würde die Region weiter destabilisieren. Die Bundeswehr betreibt mit Tornados Aufklärung im Kampf gegen den IS, die nach wie vor unverzichtbar ist. Es ist deswegen ein schwerer Fehler, dass die Bundesregierung auf Verlangen der SPD diese wichtige Mission im Rahmen der Anti-IS-Koalition nicht verlängern will. Unsere Tornados müssen ihren Auftrag fortsetzen, denn der IS ist nicht besiegt.

Frage: War Trumps Befehl, den iranischen General zu töten, eine Fehlentscheidung mit weitreichenden Folgen weit über den Irak hinaus?

Lambsdorff: Im Moment überschlagen sich die Ereignisse und es ist schwer, die langfristigen Folgen vorauszusehen. Es steht jedoch zu befürchten, dass wir zumindest kurzfristig mit negativen Folgen rechnen müssen. Viel wird davon abhängen, wie die Amerikaner nach den iranischen Angriffen reagieren und ob es der Diplomatie gelingt, die Situation zu deeskalieren.

Frage: Sind Trump und die USA mit der Nahost-Strategie gescheitert?

Lambsdorff: Ich glaube, dass der Ansatz, die regionale Aggression des Iran einzudämmen, besser auf diplomatischem Weg versucht werden sollte als auf militärischem. Auf der anderen Seite waren die USA 2019 militärisch enorm zurückhaltend und haben keinen iranischen Angriff direkt beantwortet, wenn man nur einmal an die Anschläge auf die Öltanker denkt, den Angriff auf die Raffinerie in Saudi-Arabien oder den Abschuss der Aufklärungsdrohne. Mit anderen Worten: Die derzeitige Lage könnte eher eine Ausnahme sein als der Einstieg in einen großen Krieg, aber das muss diplomatisch auch abgesichert werden. Deswegen verlangen wir von Außenminister Maas, dass Deutschland den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu einer Sondersitzung einberuft, um zu hören, wie die Strategie der USA genau aussieht und um den Iran aufzufordern, seine aggressive Destabilisierungspolitik in der Region endlich einzustellen.

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