Ausschuss für Inneres und Heimat
HÖFERLIN-Interview: Müssen bei Digitalisierung des Parlaments Vorreiterrolle einnehmen
Das FDP-Fraktionsvorstandsmitglied Manuel Höferlin gab der „Allgemeinen Zeitung“ (Montagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Markus Lachmann:
Frage: Herr Höferlin, was kann ein Ausschuss Digitale Agenda überhaupt bewirken?
Höferlin: Er wird an Regierungsvorhaben beteiligt, etwa der digitalen Agenda der Bundesregierung mit ihren 111 Projekten. Unsere Aufgabe wird es unter anderem sein, externen Sachverstand einzubinden, etwa durch Anhörungen.
Frage: Kann ein Parlament mit dem unglaublichen Tempo der Digitalisierung überhaupt noch mithalten?
Höferlin: Die Frage ist berechtigt. Die Prozesse in Ministerien und im Bundestag dauern zu lange. Wir müssen da agiler werden und können hier von den Unternehmen lernen: Dort werden Informationen sehr früh geteilt, damit die Beteiligten schon früh mitarbeiten können. In der FDP-Bundestagsfraktion machen wir das bereits über unser Intranet. Deshalb auch mein Vorschlag eines neuen Digitalministeriums.
Frage: Ein heißes Thema ist derzeit der neue Entwurf zum NetzDG (Netzwerkdurchsetzungsgesetz). Es geht um die Bekämpfung von Hass und Straftaten im Internet. Eine Passage sorgt für Aufregung: So will die Bundesregierung Unternehmen wie Facebook, Google und Twitter zwingen, Passwörter und Zugangsdaten ohne richterliche Anordnung herauszugeben. Ihre Meinung?
Höferlin: Das ist technisch gar nicht möglich, weil die Passwörter in der Regel nicht im Klartext vorliegen. Doch das ist wiederum aus Sicherheitsgründen nötig. Jeder Anbieter, der die Passwörter im Klartext ablegen würde, müsste mit einem Bußgeld nach der Datenschutz-Grundverordnung rechnen. Ich habe die Kanzlerin im Bundestag auf diesen Widerspruch hingewiesen. Eine Antwort darauf konnte sie mir nicht geben.
Frage: Warum wird denn ein solcher Unsinn formuliert?
Höferlin: Die Bundesjustizministerin hat im Bundestag sogar sinngemäß formuliert, man würde auch verschlüsselte Passwörter nehmen, die könne man dann ja noch knacken… Das ist schon ein merkwürdiges Verständnis von Cybersicherheit.
Frage: Aber irgendwie muss man doch an die Daten ran, wenn sich jemand beispielsweise auf Facebook strafbar macht.
Höferlin: Da sind wir beim Grundproblem des NetzDG. Die Unternehmen sollen strafbare Inhalte selbst zur Anzeige bringen. Sie führen eine Bewertung durch, die eigentlich nur die Staatsanwaltschaft vornehmen sollte. Jetzt verlagert man die Rechtsverfolgung noch mehr in den privaten Bereich. Waren die Unternehmen bislang Hilfssheriffs der Staatsanwaltschaft, so sollen sie nun regelrechte Rechtsabteilungen der Ermittlungsbehörden sein. Nun soll nicht mehr nur der Sachverhalt angezeigt werden, sondern offenbar gleich auch noch die Ermittlungsarbeit erledigt werden, indem man die Daten zusammenstellt und abliefert. Und das, bevor ein Staatsanwalt gesagt hat, es besteht ein Anfangsverdacht. Das halte ich für bedenklich und überdies verfassungswidrig.
Frage: Weiterer Aufreger sind sogenannte „Deep Fake“-Videos, also Filmclips, in denen beispielsweise Sätze und sogar Gesichter gefälscht werden. Was blüht uns hier noch?
Höferlin: Über „Deep Fake“ werden beispielsweise Wörter in den Mund von Politikern gelegt, die sie nicht gesagt haben. Damit kann man in den sozialen Medien massiv Meinung beeinflussen. Wir haben die Befürchtung, dass dies in kritischen Situationen der Tropfen sein kann, der das Fass zum Überlaufen bringt. Etwa in Staatskrisen. Derzeit wird Deep Fake noch zu 80, 90 Prozent in pornografischen Inhalten verwendet. So werden etwa Gesichter von Prominenten in Filme reinmontiert. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis dies noch stärker auf den politischen Bereich durchschlägt. Wichtig ist deshalb, dass wir das Thema Medienkompetenz an den Schulen stärker angehen.
Frage: Zurück zum Ausschuss Digitale Agenda: Haben Sie Ideen für die Arbeit?
Höferlin: Ich möchte gerne die Arbeitsweise im Bundestag in Richtung Digitalisierung vorantreiben. Wir arbeiten hier im Bundestag immer noch wie in den 60er Jahren mit Papier. Wir müssen bei der Digitalisierung des Parlaments eine Vorreiterrolle einnehmen. Es kann doch nicht sein, dass es keine Angebote des Bundestags gibt, die maschinenlesbar, also ohne umständliche Übertragung nutzbar sind. Beispiel: Die Tagesordnung des Bundestags muss, wenn sie geändert wird, händisch von den Mitarbeitern der Abgeordneten in andere Systeme wie Kalender oder unser Intranet übertragen werden, obwohl Schnittstellen für solche Funktionen bereits gang und gäbe sind. Da könnten wir schon viel weiter sein.