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Christian Dürr
Pressemitteilung

DÜRR-Interview: Negative Gewinnsteuer könnte Betrieben schnell helfen

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr gab dem „Weser-Kurier“ (Freitagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Norbert Holst:

Frage: Herr Dürr, Bund und Länder haben die Lockerung der Corona-Einschränkungen beschlossen. Wie bewerten Sie die Beschlüsse?

Dürr: Das Wichtigste muss sein, dass solche Entscheidungen nachvollziehbar sind. Wenn ich aber den Punkt der Quadratmeter-Begrenzung im Einzelhandel herausgreife, dann bin ich sehr zwiegespalten. Einerseits ist es gut, dass man über Lockerungen nachdenkt. Andererseits müssen die aber auch nachvollziehbar sein. Doch für die 800-Quadratmeter-Begrenzung gibt es überhaupt keine vernünftige Begründung. Denn ob das Infektionsrisiko höher oder geringer ist, hat ja nichts damit zu tun, welches Produkt ich auf welcher Fläche kaufe. Sondern das hat vielmehr damit zu tun, wie groß der Abstand zu anderen Kunden ist und ob die Hygienestandards eingehalten werden. Hier muss dringend nachgebessert werden.

Frage: Gehen verlängerte Kontaktsperren und Aufenthaltsbeschränkungen für Sie in Ordnung?

Dürr: Falsch wäre es natürlich, wenn es jetzt wieder zu größeren Menschenansammlungen käme, etwa zu Familienfeiern, so gerne wir das auch machen würden. Dafür gibt es ein großes Verständnis in der Bevölkerung. Deshalb müssen Kontaktverbote und eingeschränkter Ausgang immer wieder auf den Prüfstand gestellt werden. Wir müssen wegkommen von starren Kriterien, die wenig mit der Lebenswirklichkeit zu tun haben, wie etwa merkwürdige Quadratmeterzahlen oder vorgegebene Uhrzeiten, wie es zu Beginn der Corona-Krise in der Gastronomie versucht wurde. Wichtig ist vielmehr das persönliche Verhalten. In dieser Hinsicht haben die Leute in den vergangenen Wochen viel dazugelernt, da kann man durchaus ein Stück weit darauf bauen.

Frage: Reichen die Beschlüsse aus, um die Wirtschaft wieder hochzufahren?

Dürr: Nein, ein echtes Hochfahren ist das natürlich noch nicht. In welchem Maß wir wieder hochfahren können, hängt auch von den Schulschließungen ab, besonders im produzierenden Gewerbe. Denn zuerst muss ja die Betreuung der Kinder in Schulen und Kitas sichergestellt werden. Nach meinem Eindruck wird zurzeit noch ein bisschen im Nebel gestochert. Für Eltern ist nichts schlimmer als die Unklarheit über die Schulöffnungen. Es ist ärgerlich, dass in den vergangenen Wochen nicht an einer Öffnungsstrategie für die Schulen gearbeitet worden ist. Die FDP hatte solch eine Strategie bereits in der letzten Bundestagssitzung angemahnt. Da ist viel Zeit verloren gegangen. Das muss jetzt ganz schnell nachgeholt werden.

Frage: Die FDP warnt vor einer Pleitewelle mittelständischer Unternehmen. Um die zu verhindern, fordert sie die Einführung einer „negativen Gewinnsteuer“. Wie soll das gehen?

Dürr: Das ist eine komplett neue Idee im Steuerrecht, aber die ist eigentlich bestechend einfach. Anstatt dass die Unternehmen die Steuern vorauszahlen, was sie normalerweise vierteljährlich machen, sollen sie eine sofortige Liquiditätsspritze vom Finanzamt bekommen. Denn gegenwärtig müssen Gelder und Kredite recht kompliziert beantragt werden – und das funktioniert sehr schleppend. Die Hilfen wurden ins Schaufenster gestellt – der Bund hat seinen Verschuldungsrahmen ja deutlich ausgeweitet –, aber sie kommen bei vielen Betroffenen noch nicht an. Mit der „negativen Gewinnsteuer“ könnte man erreichen, dass die Betriebe schnelle Hilfen bekommen. Das ist der erste Schritt.

Frage: Und der zweite?

Dürr: Der zweite Schritt wäre eine nachträgliche Steuersenkung. Diese Senkung würde dazu führen, dass die Unternehmen nicht das ganze Geld zurückzahlen müssen, was an Hilfen über eine „negative Gewinnsteuer“ ausgeschüttet wird. Das würde für die Unternehmen eine Liquiditätsbrücke schaffen und ihnen Planungssicherheit bringen. Ich denke etwa an Messebauer: Die Messe wird ja im kommenden Jahr nicht zweimal stattfinden. Meine Sorge ist die Krise nach der Krise. Deshalb ist es problematisch, wenn man nur auf die Kreditprogramme verweist. Die müssen zurückgezahlt werden – mit dem Geld aus Geschäften, die gar nicht stattgefunden haben.

Frage: Ein FDP-Antrag zur „negativen Gewinnsteuer“ wird kommende Woche im Bundestag behandelt. Die Liberalen sind in der Opposition. Hat der Antrag überhaupt eine Chance?

Dürr: Wir werden diese „negative Gewinnsteuer“ im Bundestag vehement einfordern. Denn es gibt einerseits die Hilfen für Solo-Selbstständige und Betriebe bis zu zehn Mitarbeiter, es gibt andererseits Hilfen für Betriebe ab 249 Mitarbeiter. Aber für den großen Mittelstand dazwischen gibt es kein echtes Bundesprogramm. Gerade diese Unternehmen brauchen jetzt die Solidarität des Staates. Im Detail sind wir beim Thema „negative Gewinnsteuer“ auch gesprächsbereit. Ich hoffe auf die Einsicht der Bundesregierung. Finanzminister Olaf Scholz könnte die „negative Gewinnsteuer“ per Erlass ganz schnell einführen, man bräuchte dafür nicht einmal ein neues Gesetz.

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