Dr. Florian Toncar
Pressemitteilung

TONCAR-Interview: Wir hätten längst einen Untersuchungsausschuss eingesetzt

Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion Dr. Florian Toncar gab der „Rhein-Neckar-Zeitung“ (Montagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Gernot Heller:

Frage: Herr Toncar, was ist von der Sondersitzung des Finanzausschusses zum Wirecard-Skandal zu erwarten?

Toncar: Die Sondersitzung kann aus meiner Sicht nicht mehr darüber entscheiden, ob ein Untersuchungsausschuss notwendig ist. Das halte ich schon jetzt für eindeutig angesichts der bekannten schwerwiegenden Versäumnisse in der Finanzaufsicht. Wir befassen uns in der Sondersitzung nun mit weiteren Aspekten, wie dem Eintreten der Kanzlerin für Wirecard bei einer China-Reise, der Rolle der bayerischen Staatsregierung bei der Geldwäsche-Aufsicht und generell mit der Nachverfolgung von Geldwäsche-Hinweisen. Das sind alles auch potenzielle Themen für den Untersuchungsausschuss. Aus Sicht der FDP müssen wir klar abstecken, welche Fragen ein solches Gremium aufklären muss.

Frage: Wenn die Notwendigkeit eines Untersuchungsausschusses klar ist, warum bedarf es dann noch einer neuerlichen Sondersitzung des Finanzausschusses?

Toncar: Wir als FDP hätten längst einen Untersuchungsausschuss eingesetzt. Aber wir brauchen dazu eben die Zustimmung der Linken und der Grünen. Die Grünen aber haben noch keine Festlegung getroffen. Ich setzte trotzdem darauf, dass der Deutsche Bundestag seiner Verantwortung gerecht wird, die Verantwortlichkeiten im größten Betrugsfall in der Wirtschaftsgeschichte unseres Landes aufzuklären. Das müssten eigentlich auch die Grünen so sehen. Etwas anderes wäre doch niemandem zu erklären.

Frage: Die Bundeskanzlerin hat gesagt, sie habe keine Kenntnis von Vorwürfen gegen Wirecard gehabt, als sie sich Ende 2019 in China für den Konzern einsetzte. Werfen Sie ihr Verfehlungen vor?

Toncar: Spätestens im Mai 2019 war der Kern des Wirecard-Betrugsmodells in der Financial Times zu lesen. Es ist für mich nicht vorstellbar, dass diese Berichterstattung am Kanzleramt völlig vorbeigegangen sein soll. Irgendjemand muss dort entschieden haben, dass sich die Kanzlerin trotz der Vorwürfe für Wirecard stark machen kann. Es ist doch hochgradig beschämend für die Bundesregierung, sich im Ausland ganz offiziell für ein betrügerisches Unternehmen eingesetzt zu haben. Da hätte ich mir von Frau Merkel mal Selbstkritik gewünscht.

Frage: Müsste nach Ihrer Auffassung auch Kanzlerin Angela Merkel in einem Untersuchungsausschuss aussagen?

Toncar: Das Kanzleramt hat jetzt im Finanzausschuss die Möglichkeit, auf die offenen Fragen einzugehen. Sollten sich dabei Widersprüche oder weitere Fragen ergeben, dann muss sich die Kanzlerin auch persönlich dazu äußern. Sie war ja nicht nur auf der China-Reise, sondern schon in deren Vorfeld mit Wirecard befasst, etwa bei einem Treffen mit dem Wirecard-Berater Karl-Theodor zu Guttenberg.

Frage: Wo liegt die Hauptverantwortung dafür, dass der Wirecard-Skandal erst so spät aufgedeckt wurde?

Toncar: Das kann man noch gar nicht so klar zuordnen, weil mit dem Treiben von Wirecard viele Stellen befasst waren: Von der Finanzaufsicht BaFin über die Geldwäsche-Behörde FIU über das Finanzamt bis zur Staatsanwaltschaft München. Auch Teile der Bundesregierung. Und den Aufsichtsrat des Unternehmens und die Wirtschaftsprüfer nicht zu vergessen. Keiner hat den Betrug rechtzeitig bemerkt.

Frage: Sind die Reformvorschläge, mit denen Bundesfinanzminister Olaf Scholz eine Wiederholung des Wirecard-Skandals verhindern will, ausreichend?

Toncar: Nein, das ist kaum mehr als ein Stichwortzettel. Das soll vor allem dazu dienen, Scholz aus der Schusslinie zu bringen. Er ahnt, dass er für das, was geschehen ist, mitverantwortlich gemacht werden wird und versucht nun, sich als Teil der Lösung zu präsentieren.

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