TONCAR-Interview: Verantwortung ganz klar bei Finanzminister
Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion Dr. Florian Toncar gab der „Passauer Neuen Presse“ (Mittwochsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Gernot Heller:
Frage: Welchen Anteil hat die Politik an dem Wirtschaftsskandal um den Zahlungsdienstleister Wirecard?
Toncar: Der Anteil der Politik daran ist erstaunlich groß. Denn wir wissen inzwischen, dass das Unternehmen sehr gute Kontakte in die Bundesregierung hatte, etwa ins Bundesfinanzministerium. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich für das Unternehmen eingesetzt. Zudem hat die Finanzaufsicht das Unternehmen Wirecard auffällig schonend behandelt. Deswegen steht die Frage im Raum, ob die Politik nicht dazu beigetragen hat, dass weggeschaut und Fakten ignoriert wurden, um ein vermeintliches Vorzeigeunternehmen zu schützen und zu fördern.
Frage: Bei wem liegt in der Politik die Hauptverantwortung dafür, dass nicht früher aufgeklärt wurde?
Toncar: Die liegt ganz klar im Bereich des Bundesfinanzministers. Olaf Scholz untersteht die Banken-, die Finanzmarkt- und die Kapitalmarktaufsicht, also die BaFin. Die hatte seit vier Jahren Hinweise auf Bilanzmanipulationen bei Wirecard und hat es nicht geschafft, die Fakten auf den Tisch zu bekommen und mit Nachdruck zu ermitteln. Das ist vor allem Olaf Scholz anzulasten. Die ersten Hinweise fallen sogar noch in die Amtszeit seines Vorgängers Wolfgang Schäuble. Wir werden uns ansehen, was der BaFin wann bekannt war.
Frage: Wie konnte es sein, dass Kanzlerin Merkel sich im September 2019 noch für Wirecard eingesetzt hat?
Toncar: Das ist eine der entscheidenden Fragen. Mit Sicherheit wird das Kanzleramt im Laufe der weiteren Aufklärung dazu befragt werden. Der zuständige Abteilungsleiter Röller ist ein gut informierter, gründlicher Beamter. Es würde mich wundem, wenn er nicht Bescheid gewusst hätte über die massiven Vorwürfe gegen Wirecard. Die Frage bleibt: Hat er die Kanzlerin davon nicht in Kenntnis gesetzt? Die Antwort darauf ist wichtig für die politische Bewertung des Vorgangs.
Frage: Glauben Sie, dass der Finanzausschuss die nötige Klarheit schaffen kann oder bedarf es eines Untersuchungsausschusses?
Toncar: Man kann eine Affäre dieser Größe und Tragweite nicht in einer Sondersitzung des Finanzausschusses aufklären. Das ist auch nicht das Ziel. Dieses ist vielmehr, dass die politisch drängendsten Fragen befriedigend beantwortet werden: Was wusste das Ministerium? Warum ist nicht früher etwas geschehen? Wie kam es dazu, dass sich die Kanzlerin für Wirecard einsetzte? Wir wollen erkunden, ob die Regierung bereit ist, wirklich umfassend diese Sache ohne Rücksicht auf irgendjemanden aufzuklären. Mein bisheriger Eindruck ist, dass dies nicht passiert. Scholz erklärt bei jeder Gelegenheit, dass in seinem Bereich keine Fehler gemacht wurden. Mit Aufklärung hat das nichts zu tun, wenn das Ergebnis von Anfang an feststeht. Und weil das so ist, rechne ich damit, dass wir am Ende nicht ohne Untersuchungsausschuss auskommen.