Christian Lindner Dr. Marco Buschmann
Pressemitteilung

LINDNER/BUSCHMANN-Statement: Wir sollten auf die Sternstunde des Parlaments setzen

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Lindner und der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion Dr. Marco Buschmann gaben vor der Fraktionssitzung folgendes Statement ab:

LINDNER: „Das chinesische Sicherheitsgesetz tritt in Kraft. Das hat sehr weitgehende Auswirkungen auf die Bürgerrechte der Menschen in Hongkong. Im vergangenen Jahr habe ich mit einer Delegation unserer Fraktion Hongkong besucht und wir haben dort eine ganz lebendige Zivilgesellschaft, auch ein wirtschaftlich freies Land, ein weltoffenes Land vorgefunden. Wir sind in Sorge, dass das Hongkong, das wir kannten, nicht mehr das Hongkong sein wird in der Zukunft. Es ist eine Abkehr vom Grundsatz ‚ein Land, zwei Systeme‘. […] Bedauerlicherweise schweigt unsere Bundesregierung überwiegend dazu. Angesichts der dramatischen Tragweite der Entscheidungen halten wir es für angemessen, dass die Bundesregierung, die Bundeskanzlerin und der Bundesminister des Auswärtigen klar artikulieren, dass wir diesen Vertrauensbruch und diesen Eingriff in garantierte Bürgerrechte der Menschen nicht einfach so akzeptieren können. Man kann danach nicht einfach so zur Tagesordnung übergehen. Gerade wenn wir uns als Anwalt von Menschen- und Bürgerrechten auf der Welt verstehen. Wenn wir Europa als eine Wertegemeinschaft begreifen, dann dürfen wir hier nicht schweigen in einer System-Auseinandersetzung, einer Werte-Auseinandersetzung mit der KP Chinas. Aus unserer Sicht angemessen wäre, wenn der zunächst nur verschobene EU-China-Gipfel für dieses Jahr ganz abgesagt werden würde. Das wäre ein klares Signal an die chinesische Staats- und Parteiführung […]

Wir sind in Sorge hinsichtlich der mittelfristigen Entwicklungen nicht nur beim wirtschaftlichen Wachstum, sondern auch bei der Beschäftigung. Es muss nun alles unternommen werden, um zu verhindern, dass Deutschland wieder ein Land wird, in dem es auch millionenfache Arbeitslosigkeit gibt. […] Die befristete Senkung der Mehrwertsteuer, so viel zeigt sich, ist wenig geeignet, um die Konjunktur zu stützen. Im Gegenteil: Es ist ein bürokratischer Wahnsinn. Die Kosten für die Umstellung werden inzwischen in Milliarden gemessen. Und gleichzeitig ist völlig unsicher, ob tatsächlich der Binnenkonsum angeschoben wird. Denn uns fehlt nicht Kaufkraft im Land, uns fehlt Zuversicht im Land, dass Menschen sich auch wieder Konsumwünsche erfüllen. Der Aufwand ist absurd und die Verbraucher werden die Entlastung kaum spüren. Wir regen an und haben das ja auch in der Plenarsitzung gestern zum Ausdruck gebracht, dass wir die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes insgesamt stärken und dass wir eine Entlastung bei der Lohn- und Einkommenssteuer vorsehen. […]

In dieser Woche hat sich die Koalition stattdessen geeinigt auf die Einführung der Grundrente. Wir waren schon vor der Corona-Krise der Auffassung, dass dieses Instrument falsch ist, weil es die Altersarmut nicht treffsicher bekämpft. […] Gerade angesichts der enorm steigenden Schuldenlast des Staates, die insbesondere von einer jüngeren Generation getragen werden muss, brauchen wir eine neue Verständigung auf den Generationenvertrag. Dazu gehört eine Basis-Rente für die Bedürftigen, auf der anderen Seite aber auch eine faire Lastenverteilung, weshalb wir in dieser Sitzungswoche des Bundestages die Wiedereinführung des sogenannten Nachholfaktors bei der gesetzlichen Rente vorschlagen […]“

BUSCHMANN: „[…] Der Bundestag unterliegt seit vielen Jahren einem Größenwachstum, das das Parlament nicht stärker, sondern schwächer macht, weil der Bundestag mittlerweile jetzt schon so groß ist, dass er an die Grenze seiner Funktionsfähigkeit stößt. […] Der Wachstumstreiber für den Bundestag ist, dass einerseits der Wählerwille festlegt, wie stark eine Partei im Parlament vertreten sein soll und andererseits in den Wahlkreisen mit relativer Mehrheit Wahlkreise gewonnen werden können, was dazu führen kann, dass Parteien mehr Mandate erringen, als ihnen eigentlich zustehen. Das ist das Phänomen der Überhangmandate und das führt zu einer Verzerrung des Wählerwillens. […] Und es ist nicht unsere Auffassung, sondern die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, dass diese Verzerrung ausgeglichen werden muss. Und das ist der doppelte Wachstumstreiber: mehr Überhangmandate, mehr Ausgleichsmandate, das ganze Parlament wächst. Und wenn man jetzt versucht, dieses Problem zu lösen, indem man an den Überhangmandaten in den Wahlkreisen, also an der Zahl der Wahlkreise, nichts tut, sondern alleine an den Ausgleichsmandaten schraubt, dann kommt es genau wieder zu dieser verfassungswidrigen Verzerrung. […] Und es kann nicht sein, dass wir in Deutschland das Risiko eingehen, auf verfassungswidriger Basis ein Parlament zu wählen. […] Und genau das versuchen aber die sogenannten Lösungsmodelle, die uns jetzt in dieser Woche aus dem Kreise etwa der Union vorgelegt worden sind. Die CSU will nichts an den Wahlkreisen tun, so der ursprüngliche Vorschlag. Und das führt wieder zu der Verzerrung, von der ich gesprochen habe. Oder wenn Sie eben einseitig nur eine Deckelung machen und nicht ordentlich an die Wahlkreise rangehen, dann kommt es eben genau dazu.

Wir haben gemeinsam mit Grünen und Linken einen Gesetzentwurf vorgelegt, der dieses Problem löst, indem wir an die Wurzel dieses doppelten Wachstums gehen, nämlich der Kern ist die Reduzierung der Wahlkreise. Das ist ein doppelter Dämpfer beim Wachstum. Es gibt einerseits weniger Überhangmandate und deshalb muss man weniger ausgleichen. Dieser Entwurf ist auch parlamentarisch beraten. […] Man muss ihn nicht politisch mögen, aber er funktioniert und er ist verfassungskonform. Und wir wollen, dass sich für diese Lösung eine Mehrheit im Parlament findet. Deshalb haben wir ihn in dieser Woche auf die Tagesordnung gesetzt, gemeinsam mit den beiden anderen Fraktionen, mit denen wir ihn erstellt haben. Wir sind zuversichtlich, dass es zu einer Sachmehrheit kommen kann, denn auch in den Koalitionsfraktionen gibt es mehr und mehr Kolleginnen und Kollegen, die sagen, dass der jetzige Zustand ohne Lösung unerträglich ist. […] Dafür gibt es im Wesentlichen eine Voraussetzung: dass dieser beratene und auch Gegenstand einer Anhörung gewesene Gesetzentwurf morgen den Innenausschuss passiert. Es gibt keinen Sachgrund, der dagegen sprechen könnte, weil der Entwurf seit über einem Jahr dem Parlament vorliegt. […] Er ist abschlussreif. Und deshalb stehen wir jetzt an einer Weggabelung bei einem zentralen Problem, das wichtig ist für die Funktionsfähigkeit des Parlaments und auch das Ansehen des Parlaments in der Bevölkerung […] Entweder wir erleben morgen ein Schmierentheater machtpolitischer Art, das ohne Sachgründe versucht, diesen Gesetzentwurf aufzuhalten. […] Oder wir erleben am Freitag vielleicht eine Sternstunde des Parlaments, wo wir nämlich ein dringendes Sachproblem, an dem dieses Parlament schon seit mindestens zwei Legislaturperioden arbeitet, lösen – jenseits von Koalitions- oder Fraktionsgrenzen, sondern durch eine sachlich getriebene Mehrheit. Und ich kann nur dringend appellieren, dass wir auf die Sternstunde des Parlaments setzen sollten. Ich kann deshalb nur dringend appellieren an die Koalitionsfraktionen, morgen im Innenausschuss nicht zu blockieren. Und ich kann auch nur dringend an die Koalitionsfraktionen appellieren, die Abstimmung über diese Frage freizugeben […]“

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