Christian Lindner
Pressemitteilung

LINDNER-Interview: Die Strukturen müssen auf den Prüfstand

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Lindner gab der „Passauer Neuen Presse“ (Dienstagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Andreas Herholz:

Frage: Kaum ein Tag ohne neue Nachrichten über Versäumnisse und Vergehen beim Flüchtlingsbundesamt Bamf. Was erwarten Sie von der Bundesregierung bei der Aufklärung der Affäre?

Lindner: Wir erwarten mit Spannung die Aussagen von Bundesinnenminister Horst Seehofer in der Sondersitzung des Bundestags-Innenausschusses. Es ist merkwürdig, dass er nicht klar von seinen Beamten im Innenministerium informiert worden ist, bevor er seinerzeit das Bamf öffentlich gelobt hat. Da gibt es viel aufzuklären. Ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss des Bundestages wäre dafür das beste Instrument. Es geht um die Aufklärung der politischen Verantwortung und um Lehren für die Zukunft. Dass sich die Grünen der Aufklärung und der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses verweigern, ist für mich unverständlich.

Frage: Ein Untersuchungsausschuss dauert Monate, manchmal Jahre. Braucht es jetzt nicht schnelle Aufklärung? 

Lindner: Die Bundesregierung muss das in ihrer Macht stehende tun, um die Fehler abzustellen und zu einem funktionierenden Flüchtlingsmanagement zu kommen. Herr Seehofer hat viel angekündigt und bisher wenig geliefert. Die Pläne für Ankerzentren sind bei den Kommunen und Ländern sehr zurückhaltend aufgenommen worden. Wir brauchen dringend einen Migrationsgipfel von Bund und Ländern. Die Strukturen des Bamf müssen auf den Prüfstand. Unabhängig davon kann ein Untersuchungsausschuss Akten einsehen, Zeugen vernehmen und die Aufklärungsarbeit der Regierung kontrollieren, damit nichts unter den Teppich gekehrt wird.

Frage: Bundesinnenminister Seehofer selbst und auch CDU-Generealsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer schließen einen Untersuchungsausschuss nicht aus. Steht der Einsetzung dann nichts mehr im Wege?

Lindner: Union und SPD sollten sich an einem interfraktionellen Antrag zur Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschuss beteiligen. Jetzt geht es darum, das verloren gegangene Vertrauen der Menschen in unseren Rechtsstaat wiederherzustellen. Niemand kann ein Interesse daran haben, dass mit Unterstellungen und Verschwörungstheorien Wahlkampf gemacht wird. Es gibt die Chance, die Vorgänge im Bamf und die Flüchtlingspolitik seit 2014 zu untersuchen und Defizite offen zu legen und gemeinsam Konsequenzen zu ziehen. Wenn jetzt nicht aufgeklärt wird, spielt das der AfD in die Hände. Ich verstehe nicht, warum die Grünen die Regierung hier in Schutz nehmen. Bei einem solch wichtigen Thema muss es Transparenz und volle Aufklärung geben. Alles andere nutzt den Rechtspopulisten.

Frage: Die SPD kritisiert das Schweigen der Kanzlerin und wirft ihr vor, die Affäre aussitzen zu wollen. Eine berechtigte Kritik?

Lindner: Die Kritik der SPD an der Kanzlerin und der Union sagen viel aus über den Zustand dieser Regierung. Das ist kein gutes Zeichen für die Handlungsfähigkeit. Ich sehe nicht in erster Linie die Kanzlerin in der Verantwortung. Der damalige Koordinator der Flüchtlingspolitik Peter Altmaier, der frühere Bundesinnenminister Thomas de Maiziére und der heutige Amtsinhaber Horst Seehofer müssen in einem Untersuchungsausschuss als Zeugen gehört werden und Rede und Antwort stehen. Frau Merkel käme ins Spiel, wenn es um die Entscheidungen in der Flüchtlingspolitik im Sommer 2015 geht.  

Frage: Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) fordert Asylentscheidungen des Bamf stichprobenartig erneut zu überprüfen. Muss es jetzt eine generelle Untersuchung geben?

Lindner: Wir waren die ersten, die das gefordert haben. Es muss zudem geprüft werden, ob es strukturelle Mängel im Flüchtlingsbundesamt gibt. Wenn es bei Stichproben Auffälligkeiten gibt, muss dort in die Tiefe gegangen werden. Wir haben ein massives Problem mit Einwanderung nach Deutschland. Das beginnt bei den Grenzkontrollen in Europa, geht über den mangelnden Datenaustausch der Behörden und endet bei Gesetzen, die zu viel zu langen Asylverfahren führen. Die Asylverfahren dauern zu lang, und Abschiebungen funktionieren nicht. Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz mit klaren Regeln und eine andere Integrationspolitik.

Frage: Kein Ende der Diesel-Krise. Führt an Fahrverboten am Ende kein Weg vorbei?

Lindner: Die Debatte hat tragikomische Züge angenommen. In Hamburg gibt es das erste Fahrverbot für Dieselautos und gleichzeitig machen Tag für Tag Containerschiffe und Kreuzfahrt-Riesen im Hafen fest, die tonnenweise Schweröl verbrennen. Wir brauchen eine smarte und vernetzte Strategie zur Reduzierung der Emissionen in den großen Städten. Dazu gehören flexible Verkehrsführung, Softwareupdates der Motoren, die Elektrifizierung des öffentlichen Verkehrs und die Modernisierung von Heizungen. Zusammen mit dem natürlichen Austausch der Fahrzeugflotte wird das die Belastung reduzieren. Prinzipiell will ich die Hersteller nicht aus der Verantwortung lassen. Ultima ratio sind Hardware-Nachrüstungen auf deren Kosten. Dennoch bedrückt mich, dass Milliarden für alte Technologien und Probleme eingesetzt werden sollen, die in wenigen Jahren verschwunden sind. Ich wage den Denkanstoß, ob man betroffenen Haltern von Diesel-PKW nicht eine Mobilitätsgarantie geben kann, wenn die Hersteller die Milliardenbeträge für Hardware-Nachrüstungen verbindlich zum Beispiel in Ladeinfrastruktur für Elektromobilität investieren.

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