Stellv. Fraktionsvorsitzender

Zuständig für „Freiheit und Menschenrechte weltweit“: Auswärtiges, Angelegenheiten der Europäischen Union, Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Verteidigung, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

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Alexander Graf Lambsdorff
Pressemitteilung

LAMBSDORFF-Interview: Ein zynisches Spiel mit Not leidenden Menschen

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff gab der „Passauer Neuen Presse“ (Montagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Andreas Herholz:

Frage: Der UN-Sicherheitsrat hat nach langem Ringen einer eingeschränkten Fortsetzung der humanitären Hilfe für Syrien zugestimmt. Russland hat sich durchgesetzt. Droht dort jetzt eine weitere humanitäre Katastrophe?

Lambsdorff: Ja, das muss man so hart sagen, und es ist eine Tragödie. Im Norden Syriens sind 2,8 Millionen Menschen völlig unterversorgt. Russland und China wollen jetzt die letzten Wege für die allernotwendigste Hilfe immer weiter zustellen. Das ist ein zynisches Spiel mit Not leidenden Menschen, das einen einfach wütend macht. Immerhin ist die völlige Blockade im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen abgewendet worden. Dabei sollte es nicht um Politik gehen, sondern um das Überleben von Menschen. Die Türkei steht im Norden Syriens mit mehreren Zehntausend Soldaten, vielleicht kann sie initiativ werden und helfen.

Frage: China droht mit dem neuen „Sicherheitsgesetz“, die Autonomie Hongkongs zu gefährden. Ist die bisherige China-Politik der Bundesregierung und Europas gescheitert? Braucht es einen Kurswechsel?

Lambsdorff: Die Regelung „Ein Staat, zwei Systeme“ für Hongkong wird von Peking ja erkennbar mit Füßen getreten. Völkerrecht wird gebrochen, Menschenrechte werden verletzt. Die Bundesregierung muss das endlich klar benennen. Allerdings wird sich China nicht dadurch beeindrucken lassen, wenn Deutschland das alleine tut. Die Ratspräsidentschaft bietet die Chance, ein geschlossenes europäisches Vorgehen zu organisieren, das erwarte ich auch von Maas und Merkel. Man sollte aber auch der deutschen Wirtschaft ins Stammbuch schreiben, dass sie ihre Geschäfts- und Handelsbeziehungen in Asien verbreitern muss und sich nicht mehr nur auf China konzentrieren darf. Viel zu viele deutsche Unternehmer denken immer noch, Asien sei gleich China. Es gibt viele interessante Märkte und Produktionsstandorte außerhalb Chinas. Es ist höchste Zeit, die Ein-Land-Strategie der deutschen Wirtschaft in Asien zu ändern.

Frage: Ist die Strategie „Wandel durch Handel“ mit China gescheitert?

Lambsdorff: Wir stehen vor der ganz neuen Herausforderung, dass wir zum ersten Mal ein autoritäres Land mit einer gut funktionierenden Wirtschaft haben. Inzwischen treibt China selber Wandel durch Handel voran und will sein autoritäres Gesellschaftsmodell exportieren. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht selbst zum Opfer von Wandel durch Handel werden. Und zwar so, wie es eine kommunistische Diktatur in Peking interpretiert.

Frage: Gedenken an den 25. Jahrestag des Massakers von Srebrenica an 8000 Bosniaken – welche Lehren muss Europa aus diesem Genozid ziehen?

Lambsdorff: Wir haben so lange Frieden in Deutschland, dass viele glauben, in Europa habe es nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs keinen Krieg und keine Massaker mehr gegeben. Srebrenica erinnert uns daran, dass das nicht so ist. Es gab Krieg, Massaker und Menschheitsverbrechen. Umso wichtiger ist es, die Erinnerung daran aufrechtzuerhalten. Richard von Weizsäcker hat in seiner berühmten Rede am 8. Mai 1985 ein jüdisches Sprichwort zitiert: „Das Geheimnis der Versöhnung heißt Erinnerung.“ Wenn der westliche Balkan Versöhnung anstrebt, wenn sich die gesamte Region Richtung Europa orientiert, vielleicht sogar eines Tages in die Europäische Union will, ist die Erinnerung an diese Gräueltaten unerlässlich. Dass Serbien und die bosnische Repulika Srpska so tun, als habe es Srebrenica und die Massaker vor 25 Jahren nie gegeben, steht einer europäischen Perspektive dieser Länder im Wege. Es ist aber ganz unabhängig davon eine Verhöhnung der Opfer, die ich völlig inakzeptabel finde.

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