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LAMBSDORFF-Interview: Das ist eine leere Drohung
Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff gab den „Badischen Neuesten Nachrichten“ (Donnerstagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Martin Ferber:
Frage: Herr Lambsdorff, Boris Johnson ist Parteichef der Konservativen und auch neuer britischer Premierminister. Ist das eine schlechte Nachricht für Europa oder herrscht damit endlich Klarheit über den britischen Kurs?
Lambsdorff: Nein, auch mit dem neuen Premierminister Johnson herrscht Unklarheit, wie sich die Briten den Austritt aus der EU genau vorstellen. Johnson muss jetzt schnell konkrete Vorschläge auf den Tisch legen. Am Montag hat er angekündigt, dass er keine Grenzkontrollen auf der irischen Insel will. Dann muss er aber auch Ideen präsentieren, wie das gelingen kann. Daran gilt es, ihn zu messen, nicht an seiner Rolle in der Kampagne für den Brexit oder als Kritiker seiner Amtsvorgängerin May.
Frage: Johnson will notfalls auch den ungeregelten Brexit in Kauf nehmen. Kann das für Europa ernsthaft infrage kommen? Und hat Europa überhaupt noch eine Chance, das zu verhindern?
Lambsdorff: Diese Ankündigung soll in erster Linie die EU unter Druck setzen, Großbritannien stärker entgegenzukommen. Aber ein harter Brexit schadet Großbritannien doch viel mehr, insofern ist das eine leere Drohung. Das entlässt die Bundesregierung nicht aus der Pflicht, die notwendigen Maßnahmen für einen ungeregelten Brexit zu treffen. Wie sich das Ganze am Ende entwickelt, ist heute nicht vorhersehbar.
Frage: Sehen Sie die Chance, dass es in Großbritannien doch noch zu einer Korrektur des eingeschlagenen Kurses kommt, eventuell durch ein zweites Referendum? Oder ist an Halloween endgültig Schluss?
Lambsdorff: Ich habe mir beim Thema Brexit abgewöhnt, irgendwelche Vorhersagen zu machen. Die letzten Monate haben gezeigt, wie schnell diese von der Wirklichkeit überholt werden können. Noch im Frühling hatte niemand für möglich gehalten, dass das Austrittsdatum auf einen Zeitpunkt nach den Wahlen zum Europäischen Parlament verlegt werden könnte, aber jetzt sind die Briten im neuen Parlament vertreten. Natürlich wäre aus Sicht der FDP eine Kurskorrektur und eine engere Anbindung an die EU wünschenswert, ich halte sie aber mit dem neuen Premierminister für sehr unwahrscheinlich.