Stellv. Fraktionsvorsitzender

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Alexander Graf Lambsdorff
Pressemitteilung

LAMBSDORFF-Interview: Ein Krieg aus Versehen ist möglich

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff gab „WDR 5“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Uwe Schulz:

Frage: Spielt für Ihre Einschätzung der Lage eine Rolle, dass Donald Trump gerade wieder getwittert hat?

Lambsdorff: Der Mann ist Präsident der Vereinigten Staaten, Oberbefehlshaber der amerikanischen Streitkräfte und in der internationalen Politik zählen Worte, haben einen ganz realen Wert. Also mit anderen Worten: Natürlich zählt das. Das ist ein direkter Widerspruch zu einem langen Artikel in der New York Times, dass er alle seine Berater angewiesen habe, eben keine militärische Vorbereitung von Auseinandersetzungen mit dem Iran zu treffen. Also die Lage ist sehr unklar, aber natürlich zählt, was der Oberbefehlshaber sagt.

Frage: Er hat nämlich getwittert: „If Iran wants to fight…“, also: „Wenn der Iran kämpfen möchte, dann wird es das offizielle Ende des Iran sein. Wagen Sie es niemals, die Vereinigten Staaten zu bedrohen.“ Wenn wir dann von allen beteiligten Parteien hören: „Wir wollen ja keinen Krieg, aber wenn die andere Seite es drauf anlegen würde, dann wären wir bereit“, dann erinnert das ganz fatal an eine Situation, die wir aus Europa kennen angesichts des Ersten Weltkriegs. Da waren auch viele vor dem Krieg immer wieder bereit zu Verhandlungen und sind dann irgendwie reingerutscht. Könnte so was passieren am Golf?

Lambsdorff: Ganz klar ja. Ein Krieg aus Versehen ist eine Möglichkeit. Es kann auch sein, dass eine der beiden Seiten so provoziert, dass es der anderen praktisch unmöglich gemacht wird, darauf nicht zu reagieren aus jeweils innenpolitischen Gründen. Das ist denkbar. Vergessen wir nicht: Gestern Abend ist im Regierungsviertel in Bagdad in der Nähe der amerikanischen Botschaft eine Rakete eingeschlagen. Also es könnte durchaus sein, dass aus einer solchen Aktivität tatsächlich dann eine größere militärische Auseinandersetzung folgt.

Frage: Und wie so oft in dieser Regierung ist es ganz schwierig zu erkennen, wo es eigentlich seinen Ausgang genommen hat. Also sie haben jetzt gerade diesen jüngsten Anschlag erwähnt. Wir wissen, dass die USA das Atomabkommen gekündigt haben mit dem Iran und die Sanktionen verschärft, dass ein Flugzeugträger der USA vor Irans Haustür liegt, Langstreckenbomber und Flugabwehrraketen auch in der Nähe sind. Wir wissen, dass Saudi-Arabien den Iran beschuldigt, Angriffe organisiert zu haben mit Drohnen auf Ölanlagen, und dass Öltanker sabotiert wurden. Wo anfangen, wenn da nun noch eine diplomatische Lösung her soll?

Lambsdorff: Naja, also was die Wurzel des Problems ist, glaube ich, da sind sich alle relativ einig. Der Iran verfolgt eine aggressive Außenpolitik. Also das, glaube ich, bezweifelt niemand. Der Streit im Westen, oder der Streit auch zwischen Saudis, Israelis, Amerikanern, Europäern, Russen, der geht ja darum, wie man am besten mit dem Iran umgeht. Also der Iran verfolgt ein nukleares Bewaffnungsprogramm, der betreibt ein ballistisches Raketenprogramm, er unterstützt Terrorgruppen und Milizen in der Region, im Irak, in Syrien, im Jemen, bedroht Israel direkt. Also die Wurzel des Übels ist eindeutig die iranische Politik. Aber der Umgang damit, ohne in einen Krieg hineinzuschlittern, das ist die eigentliche Auseinandersetzung und ich glaube die Auseinandersetzung, die wir jetzt führen. Und da gibt es eben einen großen Streit zwischen den USA und dem Rest der Welt.

Frage: Ende des Monats könnte ein Krisengipfel die arabischen Staaten zumindest schon einmal an einen Tisch bringen in Mekka. Ist das für Sie ein gutes Zeichen?

Lambsdorff: Ja, es ist gut, wenn Länder miteinander reden. Ich würde mir auch wünschen, dass wir als Europäer uns ganz stark engagieren hier. Wir hören sehr wenig aus Moskau und Peking, das sind ja ebenfalls Unterzeichnerstaaten des Atomabkommens. Der Europäische Auswärtige Dienst hat dieses Abkommen für die Europäer verhandelt. Also ich würde mir wünschen, dass wir auch auf der Ebene, zwischen den Signatarstaaten des Atomabkommens genau solche Gespräche führen, denn am Ende muss eine Lösung ja darin bestehen, dass man einen neuen, um es mal mit dem amerikanischen Präsidenten zu sagen, Deal findet. Man muss ja ein neues Abkommen, eine neue Absprache zumindest haben, wie es weitergehen soll, wenn man einen Krieg verhindern will und deswegen solche Gespräche wie auch die in Mekka. Das kann alles sehr nützlich sein.

Frage: Geht dieser Appell auch an unseren Bundesaußenminister Heiko Maas?

Lambsdorff: Ja, ich glaube, der Bundesaußenminister hat eine besondere Verantwortung. Deutschland ist nicht-ständiges Mitglied des Sicherheitsrates. Frankreich und Großbritannien sind ständige Mitglieder. Wir sind alle Unterzeichnerstaaten. Es ist ganz wichtig, gemeinsam jetzt mit den anderen Europäern, den EAD, also den Europäischen Auswärtigen Dienst, Federica Mogherini, die europäische Außenministerin, zu bitten, hier für die Europäer diese Shuttle-Diplomatie nach Moskau, nach Peking, nach Washington zu machen und selber die Gespräche auch zu flankieren, das ist gar keine Frage. Das klingt alles schwierig, das ist auch alles schwierig, aber ich denke, in einer Situation, wo man kurz davor steht, unter Umständen größere Luftschläge, größere militärische Auseinandersetzungen am Persischen Golf zu haben, da sind solche Anstrengungen einfach zwingend notwendig, um das zu verhindern.

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