Stellv. Fraktionsvorsitzender

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Alexander Graf Lambsdorff
Pressemitteilung

LAMBSDORFF-Interview: Gibt keinen Widerspruch zwischen wirksamem Grenzschutz und humanitären Maßnahmen

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff gab der „Hessischen Allgemeinen“ (Dienstagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Maximilian Beer:

Frage: Herr Lambsdorff, selbst eine „Koalition der Willigen“ bei der Aufnahme junger Geflüchteter aus Griechenland würde bedeuten, dass Europa wieder nicht geschlossen handelt. Scheitert die EU als Wertegemeinschaft?

Lambsdorff: Das Gegenteil ist der Fall. Zum einen hat die EU Griechenland zugesagt, es angesichts einer türkischen Aggression gegen seine Grenze zu unterstützen. Zum anderen wird Griechenland entlastet, wenn es um unbegleitete Kinder unter 14 Jahren geht. Europa handelt, und hier gibt es keinen Widerspruch zwischen wirksamem Grenzschutz und praktischen humanitären Maßnahmen.

Frage: Die Situation auf den griechischen Inseln ist schon seit Jahren menschenunwürdig. Wurden Griechenland und die Geflüchteten dort im Stich gelassen?

Lambsdorff: Die Bilder aus den Lagern können einen nicht kalt lassen. Das ist schrecklich. Allerdings hat Europa immer wieder angeboten zu helfen, etwa mit Beamten. Dies ist von der früheren Linken Regierung Griechenlands unter Alexis Tsipras nicht angenommen worden. Ich hoffe, dass sich das jetzt unter der Mitte-rechts-Regierung von Kyriakos Mitsotakis ändert.

Frage: An der Grenze zur Türkei werden Geflüchtete teils brutal zurückgedrängt. Widerspricht das nicht den Werten der EU?

Lambsdorff: Einer dieser Werte ist ja die Rechtsstaatlichkeit. Die Abwehr illegaler Grenzübertritte widerspricht dem gar nicht. Es ist eben nicht in Ordnung, dass die Menschen, die vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan mit falschen Hoffnungen an die Grenze geschickt werden, versuchen, illegal nach Griechenland zu kommen. Das hat Erdogan zu verantworten – die Griechen sind eher Opfer als Täter.

Frage: Erdogan ermutigt entgegen des Flüchtlingsabkommens Hunderte Geflüchtete zum Grenzübertritt. War es falsch, mit einem Autokraten diesen Deal einzugehen?

Lambsdorff: Das EU-Türkei-Abkommen hat dafür gesorgt, dass die syrischen Geflüchteten in der Türkei versorgt werden können und dass sich drei Jahre lang weniger Menschen Richtung Europa aufgemacht haben. Es ist übrigens auch im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, dass die Versorgung nah am Herkunftsland geschieht. Somit war das Abkommen richtig.

Frage: Dass 3,6 Millionen Geflüchtete in der Türkei leben, kann aber doch keine Lösung sein.

Lambsdorff: Genau. Die Wurzel des Übels ist der Krieg in Syrien. Wir brauchen dort einen dauerhaften Waffenstillstand und eine politische Lösung. Syrien muss befriedet werden, damit die Syrer zurückkehren können.

Frage: Wurde seit 2015 zu wenig unternommen, um ein gemeinsames Asylsystem in der EU zu etablieren?

Lambsdorff: Das Problem liegt viel weiter zurück. Schon 1999 haben die EU-Mitgliedsstaaten eine gemeinsame Migrations- und Flüchtlingspolitik beschlossen. Seitdem haben alle zuständigen Innenminister, vorneweg die deutschen, sich geweigert, genau dies umzusetzen. Erst im Angesicht der Krise von 2015 war Innenminister Thomas de Maizière (CDU) plötzlich für einen Verteilungsschlüssel, wie ihn Grüne und FDP schon lange verlangt hatten. Da war es dann zu spät.

Frage: Syriens Präsident Baschar al-Assad begeht seit Jahren Kriegsverbrechen gegen die eigene Bevölkerung. Hätte der Westen einschreiten müssen?

Lambsdorff: Ich hätte es befürwortet, schon früh eine Flugverbotszone zu verhängen. Diese hätte man militärisch durchsetzen müssen, um Assad in die Schranken zu weisen. Doch dafür war die EU zu uneinig und die USA waren zu unentschlossen.

Frage: Wie sollte Europa jetzt mit Russland umgehen, das Assad unterstützt?

Lambsdorff: Wladimir Putins Vorgehen im syrischen Idlib ist inakzeptabel. Wir müssen deshalb eventuell über Sanktionen gegen Russland reden, die nur so lange in Kraft sind, bis konkrete Bedingungen erfüllt sind. Dazu gehört ein dauerhafter Waffenstillstand. Die FDP schlägt vor, diesen von einer UN-Mission mit Blauhelmen zu überwachen, damit er auch hält.

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