Stellv. Fraktionsvorsitzender

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Alexander Graf Lambsdorff
Pressemitteilung

LAMBSDORFF-Interview: Eskalation ist nicht auszuschließen

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff gab der „Passauer Neuen Presse“ (Donnerstagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Andreas Herholz:

Frage: Herr Lambsdorff, die Krise in Hongkong spitzt sich weiter zu. Die Polizei geht immer härter gegen Demonstranten vor. An der Stadtgrenze zu Hongkong lässt die chinesische Führung offenbar Truppen auffahren. Droht jetzt eine weitere Eskalation?

Lambsdorff: Das ist nicht auszuschließen. Grund für die Zuspitzung ist in erster Linie das Verhalten der Kommunistischen Partei und der Regierung von Hongkong, die weiterhin keinerlei Kompromissbereitschaft signalisieren. Das bedeutet, dass die Proteste weitergehen werden und sich möglicherweise weiter radikalisieren. Peking sollte den Druckaufbau unterlassen und Regierungschefin Carrie Lam die Möglichkeit geben, auf die Protestbewegung zuzugehen.

Frage: Auslöser für die Proteste war der inzwischen auf Eis gelegte Gesetzentwurf der Regierung zur erleichterten Auslieferung mutmaßlicher Krimineller an China. Warum spitzt sich die Lage dennoch weiter so zu?

Lambsdorff: Das Problem ist, dass der Gesetzentwurf zwar auf Eis gelegt, aber nicht dauerhaft vom Tisch ist. Die Regierung kann ihn jederzeit wieder aus der Schublade holen. Deswegen ist die Angst der Bürgerinnen und Bürger von Hongkong verständlich, dass das Gesetz früher oder später doch noch erlassen wird.

Frage: Ist die Radikalisierung der Proteste nicht dennoch der falsche Weg?

Lambsdorff: Natürlich ist Radikalisierung der falsche Weg, die Frage ist aber auch, wo die Kommunistische Partei die Grenze zur Kriminalität setzt. Von „Anzeichen von Terrorismus“ zu sprechen, ist beispielsweise ganz sicher der falsche Weg. Damit kriminalisiert man eine Bewegung, die in großen Teilen friedlich demonstriert und legt die Grundlage für noch mehr Polizeigewalt.

Frage: Wie lässt sich der Konflikt aus Ihrer Sicht entschärfen?

Lambsdorff: Die Regierung von Hongkong sollte den Gesetzentwurf zur Auslieferung komplett zurückziehen. Anklagen gegen Verhaftete sollten nur erhoben werden, wenn es nachweislich um Gewalttaten geht. Deeskalierend wäre auch, wenn die Protestbewegung von offizieller Seite nicht als „Aufruhr“ bezeichnet würde. „Aufrührern“ drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Frage: Wo bleibt eine entschlossene Reaktion der Europäischen Union? Wäre es nicht an der Zeit für Sanktionen gegen China?

Lambsdorff: Die EU muss gegenüber China mit einer Stimme sprechen. Sie darf sich bei Fragen von Freiheitsrechten und Werten nicht auseinanderdividieren lassen. Die Voraussetzungen für Sanktionen gegen China sehe ich derzeit allerdings nicht erfüllt. Bundeskanzlerin Merkel sollte auf ihrer anstehenden China-Reise aber die Situation in Hongkong thematisieren. Das bedeutet auch, sich gegenüber Peking für die Einhaltung des Prinzips „Ein Land, zwei Systeme“ einzusetzen, das Hongkong bis 2047 einen hohen Grad an Freiheit garantiert.

Frage: Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des britischen Parlaments will Hongkongern die britische Staatsbürgerschaft verleihen. Ein sinnvoller Vorstoß?

Lambsdorff: Dieser Vorschlag ist sicher nicht hilfreich. Eine Politik der Passausgaben hat noch nie zur Entschärfung einer Krisensituation beigetragen.

Frage: Sie waren bereits vor fünf Jahren als erster deutscher Politiker nach Hongkong gereist, um damals mit den Regenschirm-Demonstranten zu sprechen. Hat der Westen in der Vergangenheit zu wenig für die demokratische Protest-Bewegung getan?

Lambsdorff: Nein, der Westen begleitet die Demokratiebewegung sehr wohlwollend. Die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung hat sogar ein Büro im Stadtstaat. Es ist manchmal aber auch richtig, sich zurückzuhalten. Aus meiner Sicht darf der Westen jetzt ganz aktuell die Protestbewegung schon allein deswegen nicht aktiv unterstützen, um der Kommunistischen Partei in China keinen Vorwand zu liefern, die Proteste als angeblich vom Westen gesteuert zu diffamieren.

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