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JENSEN-Interview: Erdogan tritt die Werte der EU mit Füßen
Das FDP-Fraktionsvorstandsmitglied Gyde Jensen gab der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Donnerstagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Rena Lehmann:
Frage: Frau Jensen, sollte Deutschland seine EU-Ratspräsidentschaft nutzen, um das Verhältnis zur Türkei zu kitten?
Jensen: Wir sollten die EU-Ratspräsidentschaft dazu nutzen klarzumachen, welche Werte wir vertreten. In der Türkei werden wie in kaum einem anderen Land Journalisten verfolgt. Seit dem Putschversuch vor vier Jahren ist es möglich, jeden kurzerhand zu inhaftieren. Das Rechtssystem wird ausgenutzt, um den politischen Willen des Präsidenten Recep Tayyip Erdogan durchzusetzen. Der deutsche Außenminister sollte darauf pochen, dass die Pressefreiheit wieder eingehalten wird. Rechtsverfahren und Prozesse müssen so transparent wie möglich ablaufen. Davon ist die Türkei zurzeit weit entfernt.
Frage: Ist ein EU-Beitritt der Türkei noch ein realistisches Ziel?
Jensen: Die FDP-Fraktion ist die einzige Fraktion, die klar sagt: Die Verhandlungen mit der Türkei müssen abgebrochen werden. Es ist überhaupt nicht realistisch, dass die Türkei die Auflagen der Europäer erfüllen kann. Die Assoziierungsgelder werden aber weiter gezahlt. Hier sollte die EU konsequent sein und die Zahlungen stoppen. Das Geld wird nicht für Verbesserungen wie die Stärkung der Zivilgesellschaft genutzt, im Gegenteil. Wir müssen davon ausgehen, dass es dazu benutzt wird, die Werte der EU mit Füßen zu treten.
Frage: Heute soll das Urteil im Fall Deniz Yücel gesprochen werden. Was erwarten Sie?
Jensen: Man hat in vergangenen Urteilen beobachten können, dass die Art und Weise, wie Gerichtsprozesse ablaufen, auch von der Staatsangehörigkeit der Angeklagten abhängt. Türkische Staatsangehörige werden stärker gegängelt, jedenfalls herrscht keine Gleichheit vor dem Gesetz. Ich hoffe, dass Yücel freigesprochen wird, aber es wird auch davon abhängen, wie Erdogan dazu steht. Denn spätestens seit dem Putschversuch ist die türkische Justiz nicht mehr unabhängig, sondern dem Präsidenten hörig.