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Christian Dürr
Pressemitteilung

DÜRR-Interview: Wir wollen bis zur nächsten Bundestagswahl regieren

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr gab „t-online“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Florian Schmidt.

Frage: Herr Dürr, der Haushalt steht. Hält die Ampel jetzt bis zum Schluss?

Dürr: Wenn man in eine Regierung eintritt, ist es das Ziel, vier Jahre zu regieren. Das waren jetzt einige harte Wochen. Aber gleichzeitig war für mich von Anfang an klar: Wir wollen bis zur nächsten Bundestagswahl regieren – und nicht streiten.

Frage: Ihr Kollege Rolf Mützenich klang gestern anders, als er das „Triumphgeheule der FDP“ beklagte und gegen Finanzminister Christian Lindner austeilte. Droht da schon der nächste Zoff?

Dürr: Nein, ganz und gar nicht. Ich habe Herrn Mützenich auch nicht so verstanden. Als er seine Pressekonferenz gab, hatte sich ja noch kein einziger FDP-Politiker öffentlich geäußert. Es konnte also gar kein „Triumphgeheule“ geben. Auch jetzt gibt es das übrigens nicht: Es geht ja nicht darum, ob eine Partei irgendetwas bekommt, sondern darum, das Richtige fürs Land zu tun. Und das tun wir, indem wir erstens die Schuldenbremse einhalten und zweitens eine Wirtschaftswende einleiten.

Frage: Trotzdem: Warum kann diese Koalition nicht mal fünf Minuten ohne Drama?

Dürr: Ich empfand das nicht als Drama. Meiner Meinung nach können sich hinter den Punkten „Solide Finanzen“ und „Wirtschaft stärken“ alle drei Partner versammeln.

Frage: Das sind erst einmal nur Punkte, die Ihnen selbst wichtig sind.

Dürr: Sicherlich sind das primär die Markenzeichen der FDP. Umso mehr aber halte ich es unseren Koalitionspartner zugute, dass sie diesen Weg gemeinsam mit uns gehen – weg vom Finanzgebaren der Großen Koalition, die alles mit Geld zugeschüttet hat, hin zu soliden Staatsfinanzen. Dafür bin ich der SPD und den Grünen dankbar. Wie man bei der GroKo gesehen hat, ist das keine Selbstverständlichkeit.

Frage: Wie sehr rechnen Sie damit, dass an dem Haushaltsentwurf der Regierung im Parlament noch viel verändert wird?

Dürr: Es wird bestimmt hier und da noch Änderungen geben. Wir bekommen im Herbst ja auch noch eine Steuerschätzung, dann kennen wir den finanziellen Rahmen noch besser. Aber das Wichtigste ist, dass wir uns jetzt zunächst auf den politischen Rahmen geeinigt haben – und der heißt: Wir halten die Schuldenbremse ein.

Frage: Schließen Sie aus, dass die Ampelkoalition dieses Jahr noch die Notlage erklärt, um die Schuldenbremse auszusetzen?

Dürr: Ja, das schließe ich aus. Ein Schleifen der Schuldenbremse wird es mit uns auch im parlamentarischen Verfahren nicht geben. Wir machen weder bei einer so genannten Reform mit, wie sie sich viele in CDU und CSU wünschen, noch wird es einen Notlagenbeschluss geben. Im Übrigen geht Letzteres auch gar nicht so leicht, wie es mancher in der SPD unterstellt: Die Notlage wird normalerweise von der Regierung ausgerufen, die das erklärtermaßen nicht tun will. Ein Notlagenbeschluss aus dem Parlament heraus, wenn die Regierung das gar nicht vorschlägt, ist mit uns nicht zu machen.

Frage: Schaut man sich den Kompromiss an, fällt auf: Die Regierung plant zahlreiche Extra-Ausgaben, etwa für die innere Sicherheit oder für Kinder. Wo wird jetzt eigentlich gespart?

Dürr: Die Regierung spart vor allem bei Subventionen und das übrigens nicht erst seit diesem Haushalt. Nehmen Sie zum Beispiel die gestrichene Förderung für Elektroautos, die es so nicht mehr braucht. Entscheidend ist: Die Ministerien haben sich schlussendlich weitgehend an den Finanzplan gehalten und ihren Sparbeitrag geleistet, damit sind wir wieder auf Kurs.

Frage: Einer, der mehr wollte, ist Verteidigungsminister Boris Pistorius. Statt der geforderten 6,7 Milliarden Euro bekommt er nur 1,2 Milliarden Euro mehr. Reicht das aus, um eine Bundeswehr aufzubauen, die Putin abschreckt?

Dürr: Wir haben, das darf man nicht vergessen, ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr. Damit finanzieren wir alle notwendigen Verteidigungsausgaben, und zwar nicht nur in 2025, sondern auch in den Folgejahren. Denn: Rüstungsaufträge abzuarbeiten, dauert viele Jahre. Wir garantieren so die Finanzierung heute, morgen und übermorgen. Bis 2028 soll der Wehretat laut dem neuen Finanzplan zudem von heute 52 Milliarden Euro auf 80 Milliarden Euro anwachsen.

Frage: Man könnte auch sagen, die Ampel macht es sich leicht, indem sie heute nicht schon mehr in die Bundeswehr investiert, dafür aber künftigen Regierungen diktiert, dass sie weit mehr ausgeben muss.

Dürr: Nein, das stimmt so nicht. Mit diesem Verfahren halten wir uns lediglich an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Das schreibt vor: Pro Jahr müssen die Summen bereitgestellt werden, die es dann jeweils braucht. Außerdem kenne ich keine demokratische Partei, die gegen höhere Ausgaben für die Bundeswehr in der Zukunft wäre und sich darüber beschweren dürfte.

Frage: Parallel zum Haushalt hat die Regierung auch Maßnahmen für einen Wirtschaftsaufschwung erarbeitet. Unter anderem soll es Anreize für Rentner geben, länger zu arbeiten. Reicht das aus, damit die FDP dem schon fertigen Rentenpaket II im Bundestag zustimmen kann?

Dürr: Ich begrüße es sehr, dass die Bundesregierung Arbeit im Alter attraktiver macht, indem sie die Sozialbeiträge für Menschen im Rentenalter streichen will. Das ist ein sehr wichtiger Schritt, der dazu führen wird, dass effektiv das Renteneintrittsalter flexibler wird.

Frage: Also wird Ihre Fraktion dem Rentenpaket II zustimmen?

Dürr: Das Rentenpaket II mit dem Generationenkapital ist verabredet und es ist fertig. Unsere Voraussetzung für eine Zustimmung war stets, dass es für künftige Generationen auch finanzierbar ist. Diesen Voraussetzungen kommen wir mit den jetzigen Beschlüssen der Regierung ein gutes Stück näher. Ich kann mir deshalb gut vorstellen, dass das Rentenpaket II in diesem Jahr den Bundestag passieren wird.

Frage: Beim Bürgergeld sollen Langzeitarbeitslose eine Prämie bekommen, wenn sie eine Arbeit aufnehmen. Wie viel lässt sich dadurch beim Bürgergeld potenziell einsparen?

Dürr: Das lässt sich erst beziffern, wenn wir den Haushaltsentwurf kennen. Klar ist aber: Eine solche Bürgergeldreform kann einen enormen Effekt haben, nicht zuletzt für die Staatsfinanzen. Wenn Menschen aus dem Bürgergeld herauskommen, profitieren alle: Der Einzelne, weil er einen Job hat und damit mehr Geld, die Sozialkassen, die dadurch Einnahmen statt Ausgaben haben, und der Fiskus, der zusätzliche Steuereinnahmen generiert. Das ist eine Win-Win-Win-Situation.

Frage: Um den Haushalt aufzustellen, bedient sich die Regierung einiger Tricks, vor allem dem, Zuschüsse des Bundes an die Bahn und an die Autobahn-GmbH umzuwandeln in Darlehen. Wie finden Sie das?

Dürr: Das sind keine Tricks. All das findet im Rahmen der Schuldenbremse statt.

Frage: Kritiker wenden ein: Die Regierung stellt damit Schattenhaushalte auf, nur um ein Aussetzen der Schuldenbremse zu vermeiden.

Dürr: Nein, ganz und gar nicht. Der Bund hat die Aufgabe, die Schienen- und Straßeninfrastruktur zu finanzieren. Wenn er dazu den zuständigen Staatsfirmen Darlehen gibt, ist das völlig legitim. Und wenn diese Staatsunternehmen ihrerseits Einnahmen generieren, wie etwa die Bahn über Ticketverkäufe oder die Autobahn-GmbH durch die Erlöse der Lkw-Maut, dann zählen die Schulden für entsprechende Darlehen nicht in die Schuldenbremse hinein, weil den Ausgaben Einnahmen gegenüberstehen.

Frage: Aber ist das wirklich seriöser als die Forderung von SPD und Grünen, die lieber eine neuerliche Notlage erklärt hätten, um die Schuldenbremse auszusetzen?

Dürr: Selbstverständlich ist das seriöser. Denn für eine solche finanzielle Notlage des Staates bräuchte es eine entsprechende Begründung, zum Beispiel eine große Naturkatastrophe, die plötzlich über uns hereinbricht. Die aber gibt es derzeit nicht. Man kann nicht ständig Ausreden erfinden, weil man mit dem Geld nicht hinkommt.

Frage: Der Haushalt sieht auch eine „globale Minderausgabe“ vor. Derzeit noch 16 Milliarden Euro sollen – so die Hoffnung – noch im laufenden Haushaltsjahr eingespart werden. Wie soll das gehen?

Dürr: Die globale Minderausgabe ist ein Instrument, das die Ressorts anhält, dort zu sparen, wo es ihnen am leichtesten fällt. Zum Beispiel bei geringen Ausgaben aus Fördertöpfen, Geld also, das dort nicht abgeflossen ist. Wie sich das umsetzen lässt, werden wir auch in den Haushaltsberatungen ab September sehen. Die Erfahrung aus den vergangenen Jahren aber zeigt, dass wir fast immer noch teils erhebliche Haushaltsreste hatten.

Frage: Die FDP wettet darauf, dass die Konjunktur im kommenden Jahr wächst und die Wähler ihr Kreuz bei den Liberalen machen, weil Sie dann auf die Erfolge aus dem nun gefundenen Kompromiss verweisen können. Wird das, was die Regierung jetzt beschlossen hat, dafür tatsächlich ausreichen?

Dürr: Zunächst einmal wetten wir nicht. Und wir hoffen auch nicht darauf, dass die Wirtschaft wieder läuft, nur damit wir gewählt werden. Wir machen Politik aus Überzeugung. Und die lautet: Dieses Land braucht eine Wirtschaftswende, wir brauchen wieder mehr Wachstum – sonst können wir uns vieles andere nicht mehr leisten, sonst werden wir weiter abgehängt. Die fast 50 Maßnahmen des Wirtschaftswende-Pakets der Regierung werden da entscheidend helfen. Sie sorgen dafür, dass wir unser Wachstumspotenzial verdoppeln.

Frage: Aber wirken die Maßnahmen nicht viel zu spät, wenn sie Ende des Jahres mit dem Haushalt beschlossen werden?

Dürr: Das Ziel muss sein, dass viele der Regelungen, auf die sich die Regierung verständigt hat, spätestens zum Jahreswechsel in Kraft treten.

Frage: Nehmen wir an, der FDP gelingt 2025 der Wiedereinzug in den Bundestag und anschließend wäre für Sie eine Koalition mit der Union möglich. Wäre der Haushalt mit einem Kanzler Friedrich Merz schneller fertig?

Dürr: Als die letzte Große Koalition unter CDU-Führung regierte, gab es einen Haushaltsentwurf im August. Jetzt haben wir einen Anfang Juli. Insofern habe ich doch große Zweifel, dass Friedrich Merz das besser könnte. Außerdem sehe ich das, was die CDU/CSU als Einsparpotenzial beim Bundeshaushalt identifiziert hat, doch sehr kritisch.

Frage: Was meinen Sie damit?

Dürr: Die Union will vor allem bei der Bildung sparen, zum Beispiel beim Startchancenprogramm für Brennpunkt-Schulen. Das ist fatal. Wer bei der Bildung spart, spart nicht nachhaltig. In der Folge nämlich steigen die Sozialausgaben, weil es mehr Schulabbrecher gibt und damit mehr Menschen mit schlechten Jobperspektiven. Das ist für mich nur schwer nachvollziehbar.

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