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Christian Dürr
Pressemitteilung

DÜRR-Interview: Die Strafverfolgungsbehörden müssen tätig werden

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr gab der Rheinischen Post das folgende Interview. Die Fragen stellten Birgit Marschall und Kerstin Münstermann: 

Frage: Herr Dürr, nach den Wahlen in Bayern und Hessen, bei denen die Ampel-Parteien starke Verluste hinnehmen mussten, haben Sie gesagt, die Koalition müsse jetzt „alles auf den Prüfstand stellen“. Was meinen Sie damit?

Dürr: In den zwei Jahren seit Ende 2021 haben sich die Bedingungen für unsere Politik dramatisch geändert. Wir haben nicht nur den Krieg in der Ukraine und jetzt den fürchterlichen Terror der Hamas in Israel. Wir haben auch den Migrationsdruck und eine völlig veränderte weltwirtschaftliche Lage. Manches aus dem Koalitionsvertrag ist heute weniger wichtig, anderes noch wichtiger geworden. Vieles müssen wir auch völlig neu denken.

Frage: Können Sie das konkreter machen?

Dürr: Wir brauchen wirtschaftspolitische Entscheidungen, die uns wieder auf einen Wachstumspfad zurückbringen. Dazu gehört vor allem ein Update der Energiepolitik. Die Strompreise müssen unbedingt runter, damit in Deutschland wieder investiert wird. Die Idee von vor 20 Jahren, alles müsse elektrisch werden und nur noch aus erneuerbaren Energien gespeist werden, war falsch. Deutschland ist auf Energieimporte angewiesen. Das werden wir nicht nur durch heimische Stromproduktion ersetzt bekommen. Wir müssen wie die USA auf die Chancen der Kernfusion zur Energiegewinnung setzen. Ich bin dafür, dass wir in Deutschland auch über neueste Kernspaltungsreaktoren sprechen, wie sie in anderen Ländern erfolgreich aufgebaut werden. Wir sollten außerdem die Stromsteuer rasch senken und den Spitzenausgleich für die energieintensive Industrie für die Zeit nach 2023 verlängern.

Frage: Wird die FDP nach den verlorenen Landtagswahlen jetzt noch härter vorgehen in den Verhandlungen mit SPD und Grünen?

Dürr: Darum geht es mir nicht. Aber wir sind drei unterschiedliche Parteien, die ihre unterschiedlichen Positionen wegen dieser Wahlergebnisse nicht einfach aufgeben. Wenn ich die Energiepolitik kritisiere, dann richtet sich diese Kritik übrigens gegen die Vorgängerregierung, nicht gegen Robert Habeck. Wir stimmen mit den Grünen überein, dass die Energiepreise runter müssen. Und wir müssen künftig noch klarer herausstellen, was wir als Bundesregierung gut hinbekommen haben – wie zum Beispiel das Fachkräfteeinwanderungsgesetz.

Frage: Aber bisher ist deshalb noch keine einzige Fachkraft zusätzlich gekommen.

Dürr: Das Gesetz ist wirklich gut geworden. Aber ich gestehe offen: Die Umsetzung reicht mir nicht aus. Wir brauchen superschnelle Visa-Vergaben im Ausland für Fachkräfte. Das ist die Aufgabe der Außenministerin. Wir brauchen aber auch schnellere Arbeitserlaubnisse für Migranten, da sind die Ausländerbehörden der Kommunen gefordert.

Frage: Was muss passieren bei der irregulären Migration?

Dürr: Wir brauchen Asylverfahren, die an den Außengrenzen der EU stattfinden. Ich erwarte, dass das EU-Parlament die Asylreform der EU-Staaten mitträgt. Der Bund muss nach Moldau und Georgien weitere Rückführungsabkommen mit Ländern schließen, etwa mit den Maghreb-Staaten, von denen ich der Auffassung bin, dass sie auch als sichere Herkunftsländer eingestuft werden sollten. Der Bund hat außerdem alle rechtliche Möglichkeiten längst geschaffen, um für Asylbewerber von Bargeld- auf Sachleistungen umzustellen. Ich schlage eine Bezahlkarte für Asylbewerber vor, die aufgeladen wird, mit der sie sich selbst mit Kleidung und Lebensmitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelsätze versorgen können.

Frage: Die Länder sagen, das sei technisch nicht sofort möglich.

Dürr: Einspruch. Der Zahlungsverkehr in Deutschland ist digitalisiert. Es gibt genügend private Anbieter, die das für die Länder umsetzen würden. Es ist also großer Quatsch, dass eine Bezahlkarte für Migranten nicht sofort eingeführt werden könnte.

Frage: Bis wann muss die Bezahlkarte kommen?

Dürr: Ich erwarte hier ein gemeinsames Handeln der 16 Bundesländer – und einen Beschluss dazu bei der Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Kanzler am 6. November. Niemand hat Verständnis dafür, dass die Bundesländer in dieser Situation der steigenden Migrantenzahlen nicht alle rechtlichen Möglichkeiten zur Eindämmung ausschöpfen. Niemand hat Verständnis, dass die Länder zwar immer mehr Geld vom Steuerzahler für die Versorgung der Flüchtlinge beanspruchen, aber nicht alles tun, um die irreguläre Migration zu begrenzen. Baden-Württemberg, Brandenburg und jetzt auch Bayern haben sich erfreulicherweise hinter die Bezahlkarte gestellt. Ich erwarte das jetzt auch von den anderen 13 Ländern. Wenn wir die Bargeldzahlungen abschaffen, würde das einen wichtigen Pull-Faktor beseitigen.

Frage: Müssen die Asylbewerberleistungen generell abgesenkt werden?

Dürr: Wir müssen überprüfen, ob Leistungen für abgelehnte Asylbewerber reduziert werden können, die ausreisepflichtig sind, aber das Land nicht verlassen. Nicht das wäre inhuman, sondern inhuman ist das Schleppersystem, das Menschen unter schlimmsten Bedingungen auf das Mittelmeer lockt. Andere Länder stoppen die Zahlungen an abgelehnte Asylbewerber.

Frage: Was erhoffen Sie sich von erleichterten Arbeitserlaubnissen für Migranten? Ist das nicht auch ein neuer Pull-Faktor?

Dürr: Wer eine Bleibeperspektive hat, soll schneller bei uns arbeiten können. Der gegenwärtige Zustand, dass die Menschen monate- oder gar jahrelang auf eine Arbeitserlaubnis warten, ist völlig absurd. Es versteht niemand, warum die Menschen zwar bleiben können, aber auf Kosten des Steuerzahlers ins Sozialsystem gezwungen werden. Um es umgekehrt in aller Klarheit zu sagen: Wer dauerhaft in Deutschland bleiben will, muss arbeiten und seinen Lebensunterhalt selbst verdienen. Wer glaubt, dauerhaft bleiben zu können, ohne von eigener Hände Arbeit zu leben, sondern vom Sozialstaat, dem müssen wir durch Gesetzesänderungen klarmachen, dass er dann nicht bei uns bleiben kann.

Frage: Wie sieht es mit Menschen ohne Bleibeperspektive aus?

Dürr: Diejenigen ohne Bleibeperspektive sollten generell keine Arbeitserlaubnis erhalten. Tunesier etwa haben eine Ablehnungsquote von 98 Prozent. Sie müssen, wenn sie in Deutschland arbeiten wollen, über das Fachkräfteeinwanderungsgesetz kommen, nicht über das Asylsystem.

Frage: Warum kann sich die Ampel nicht darauf verständigen, dass der Bund die private Seenotrettung im Mittelmeer nicht mehr finanziell unterstützt?

Dürr: Ich teile die Auffassung des Bundeskanzlers, dass die Unterstützung für die private Seenotrettung aufhören sollte. Sie ist Teil eines perfiden und inhumanen Systems. Das wollen wir als FDP im November in den Haushaltsverhandlungen besprechen.

Frage: Wie bewerten Sie die Jubelfeiern arabischstämmiger Menschen in Berlin-Neukölln nach den Terror-Attacken der Hamas auf Israel?

Dürr: Diese Bilder sind total inakzeptabel. Diese Menschen sind in Deutschland nicht willkommen, die so etwas auf deutschen Straßen machen. Es ist ein Ergebnis offensichtlich gescheiterter Integrationspolitik in der Vergangenheit. Ich erwarte von der Berliner Landes- und Bezirksregierung, dass die Strafverfolgungsbehörden tätig werden. Es kann nicht sein, dass die Polizei eine Versammlung auflöst, sich dann aber nicht an die Strafverfolgung macht.

Frage: Ist nach den Attacken der Hamas eine konstruktive Kritik an Israels Umgang mit den Palästinensern noch möglich?

Dürr: Unter Freunden muss immer auch Kritik möglich sein, und die haben wir als Deutsche in der Vergangenheit auch geäußert, etwa an der Siedlungspolitik. Aber jetzt ist nicht der Augenblick für Kritik. In der Not geben wir als Deutsche jetzt ein zentrales Signal: Wir sind solidarisch mit euch, und wir tun alles dafür, dass eure Sicherheit und Existenz gewährleistet sind. Israel ist nicht nur die einzige Demokratie im Nahen Osten, ein Wertepartner, sondern unser enger Freund.

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