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Christian Dürr
Pressemitteilung

DÜRR-Interview: Es ist falsch, neue Schulden zu machen

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr gab dem „Weser-Kurier“ (Donnerstagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Norbert Holst:

Frage: Die FDP kritisiert den Etatentwurf von Bundesfinanzminister Olaf Scholz und fordert eine „haushaltspolitische Wende“. Was läuft Ihrer Meinung nach in der Finanzpolitik schief?

Dürr: Die Schuldenpolitik der Groko ist uferlos. In den Krisenjahren 2020 und 2021 nimmt der Bund vier Mal so viele Schulden auf wie während der Finanzkrise 2009/2010. Ich glaube einerseits, dass Olaf Scholz, aber auch der Union, Maß und Mitte verloren gegangen sind. Das Konzept der „Bazooka“ hat sich meines Erachtens als falsch herausgestellt. Richtig ist, dass man den Menschen in der Krise helfen muss – aber so, dass die Hilfen auch gezielt ankommen. Bei den Soloselbstständigen etwa kommt die Hilfe häufig gar nicht an. Auf der anderen Seite werden Rekordschulden gemacht. Deshalb brauchen wir eine haushaltspolitische Wende. Einer unserer Vorschläge ist die Einführung einer negativen Gewinnsteuer. Das heißt: Mittelständische Unternehmen ganz konkret steuerlich zu entlasten, indem sie die Verluste dieses Jahres mit den Gewinnen aus anderen Jahren verrechnen können. Es ist doch ganz klar: Die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt kann man nicht dauerhaft auf Pump finanzieren. Das scheint aber der große Irrglaube der Großen Koalition zu sein.

Frage: Olaf Scholz behauptet aber: „Nicht handeln wäre teurer als handeln.“ Klingt doch plausibel, oder?

Dürr: Herr Scholz sagt damit: viel hilft viel. Man weiß doch aus dem privaten Bereich, dass es so nicht ist. Was würde man in einer persönlichen Krisensituation machen? Man würde zunächst einmal an seine Rücklagen gehen. Stattdessen macht Herr Scholz einerseits neue Schulden, geht also zur Bank und will frisches Geld. Andererseits hat er aus den Haushaltsüberschüssen vergangener Jahre eine Rücklage in Höhe von 48 Milliarden Euro angesammelt, die er nicht anrührt. Das würde ein Privathaushalt niemals machen. Angezeigt wären jetzt gezielte Investitionen in die Zukunft, etwa bei der Digitalisierung. Die Krise hat ja gezeigt, dass Deutschland gerade auf diesem Feld Probleme hatte, Stichwort Homeoffice oder Homeschooling. Stattdessen wird der entsprechende Haushalt, nämlich der von Bildung und Forschung, kleiner im Vergleich zum Gesamthaushalt. Es ist schlichtweg falsch, einfach nur querbeet neue Schulden zu machen und Milliarden-Programme ins Schaufenster zu stellen, die dann teilweise gar nicht abgerufen werden. Beim Digitalpakt Bildung sind von 3,5 Milliarden Euro nicht einmal ein Prozent abgerufen worden. Bei den Überbrückungshilfen sind 25 Milliarden Euro für dieses Jahr angesetzt. Davon ist bislang nur eine Milliarde abgeflossen. Schulden machen ohne Plan ist gefährlich.

Frage: Mit welchen Maßnahmen lässt sich ein Bundeshaushalt erreichen, der ohne neue Schulden auskommt?

Dürr: Man muss in solch einer Phase klare Prioritäten setzen. Das eigentliche Problem der Großen Koalition ist, dass sie dazu nicht in der Lage ist. Für die FDP haben gezielte Entlastungen eine Priorität. Denn wir brauchen wirtschaftliches Wachstum, um aus der Wirtschaftskrise wieder herauszukommen und keine neuen Schulden anzuhäufen. Wir wollen die privaten Haushalte entlasten, damit sie stärker konsumieren können. Wir wollen auch den Mittelstandsbauch abbauen, kleine und mittlere Einkommen steuerlich entlasten und wir fordern die vollständige Abschaffung des Soli. Wenn jeder Haushalt mehr netto in der Tasche hätte, wäre das ein viel besseres Konjunkturpaket als die Mehrwertsteuersenkung, die ja ohnehin befristet ist. Auf der anderen Seite müssen wir natürlich auch die Unternehmen entlasten, etwa durch die bereits erwähnte negative Gewinnsteuer. Das ist unser Gegenkonzept zur „Bazooka“.

Frage: Ihre Partei fordert auch den Abbau von Subventionen. In der Vergangenheit gab es diverse Anläufe verschiedener Regierungskoalitionen. Alle Versuche, Subventionen großflächig abzubauen, sind kläglich gescheitert. Woher nimmt die FDP in dieser Frage ihren Optimismus?

Dürr: Zwei Beispiele: Wir wissen, dass wir in den nächsten Jahren ganz große demografische Probleme bekommen. Es muss also ausreichend Menschen im Erwerbsleben geben, die Wachstum erarbeiten können. Daher ist es unklug, Menschen durch die Rente mit 63 künstlich frühzeitig in den Ruhestand zu schicken, obwohl sie noch händeringend gebraucht werden, damit wir wieder auf einen Wachstumspfad zurückkehren können. Um die Dimension mal deutlich zu machen: Der ursprüngliche Haushaltsansatz für 2020, also vor Corona, betrug 365 Milliarden Euro. Davon schießt Deutschland jährlich rund 100 Milliarden Euro in die gesetzliche Rentenversicherung, damit das System stabil bleibt. Eine andere Subvention, die seit Jahren nachweislich nicht funktioniert, ist das Baukindergeld. Es ist eingeführt worden, damit viele Neubauten entstehen. Das Geld wird aber fast vollständig in Bestandsimmobilien investiert, der erhoffte Neubau-Effekt ist überhaupt nicht eingetreten. Würde man die beiden unsinnigen Subventionen sofort streichen, würden sie schon im Bundesetat 2021 eine sehr konkrete Entlastung bringen.

Frage: Haben Sie einen Gegenvorschlag als Ersatz für das Baukindergeld?

Dürr: Jungen Familien kann man das Eigenheim viel besser ermöglichen, wenn man bei der Grunderwerbsteuer einen steuerlichen Freibetrag einführt. Die Baunebenkosten sind in den vergangenen Jahren exorbitant gestiegen, und die kann man nicht durch Kredite finanzieren. Die muss man also selbst finanzieren. Daran scheitert oft für junge Familien der Erwerb eines Eigenheims.

Frage: Wer wird am Ende die Schulden berappen müssen?

Dürr: Ich befürchte konkret drei Dinge – die die SPD bereits angekündigt hat, während die Union bislang jede Antwort schuldig geblieben ist, wie sie den Haushalt wieder in den Griff bekommen will. Einerseits geht es in Richtung einer Vermögenssteuer. Das klingt vielleicht auf den ersten Blick gut. Aber es wird dann auch Vermögen besteuert, das in Anlagen und Betriebshallen, also in Arbeitsplätze investiert ist. Das heißt, diejenigen, die es in der Corona-Krise besonders schwer haben, beispielsweise mittelständische Familienbetriebe, sollen durch zusätzliche Steuern belastet werden. Selbst wenn diese Betriebe Verlust machen, müssten sie die Vermögenssteuer zahlen. Das würde an die Substanz dieser Unternehmen gehen. Zweitens wird es keine steuerliche Entlastung für Arbeitnehmer geben, was ich für falsch halte. Und zum Dritten wird es zu einer krassen Belastung zukünftiger Generationen kommen. Der Rückzahlungsplan für die neuen Schulden reicht immerhin bis 2040. Am Ende werden selbst Menschen die Schulden bezahlen müssen, die jetzt noch gar nicht geboren sind. Das ist nicht fair.

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