BUSCHMANN-Gastbeitrag: Politik muss Vermögensaufbau unterstützen
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion Dr. Marco Buschmann schrieb für „Focus Online“ den folgenden Gastbeitrag:
Die Reichen werden reicher, die Armen immer ärmer. So lautete die Quintessenz der Verelendungstheorie von Karl Marx. Lange Zeit war sie bedeutungslos. Denn die Beschäftigten erlebten im Nachkriegseuropa einen beispiellosen Zuwachs an Wohlstand. Da interessierte die Vermögensverteilung wenig. Doch mittlerweile hat Marx wieder Jünger.
Mit Thomas Pikettys „Kapital“ wurden Vermögensunterschiede wieder zum Politikum. Entscheidend ist dafür vermutlich, dass sich insbesondere in der unteren Mittelschicht kaum noch Wohlstandszuwächse verzeichnen lassen. In der Tat können zu große Unterschiede bei Einkommen und Vermögen zum Problem werden, insbesondere wenn sie drohen, die Gesellschaft in der Mitte zu zerreißen.
Genau das scheint eine neue Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zu bestätigen. Die Vermögensungleichheit in Deutschland sei stärker ausgeprägt als gedacht. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans sprach angesichts der neuen Zahlen von „Gift für den sozialen Zusammenhalt“ und erneuerte seine Forderung nach einer Vermögenssteuer. Grünen-Politikerin Renate Künast konstatierte im Einklang mit der Linken-Politikerin Susanne Ferschl gar eine Bedrohung für die Demokratie.
Doch diese Kassandrarufe können sich nicht auf die neuen Befunde berufen. Richtig ist, dass das DIW durch die Auswertung neuer Datenquellen herausgefunden hat, dass insbesondere Unternehmer mehr Vermögen gebildet haben als bislang angenommen. Dabei handelt es sich aber im Wesentlichen um Betriebsvermögen.
Drei Viertel der Millionäre in Deutschland sind selbstständig oder unternehmerisch tätig. Rund 40 Prozent des Vermögens steckt in Firmenanteilen. Es ist also in Gebäuden, Maschinen und Arbeitsplätzen investiert. Dass daraus kein anstrengungsloser Wohlstand erwächst, zeigen die DIW-Forscher auch: Die Unternehmer haben im Vergleich die höchste Wochenarbeitszeit.
Zudem sind Selbständige nicht Mitglieder der gesetzlichen Rentenversicherung. Sie müssen also einen Kapitalstock aufbauen, um die Lebenshaltungskosten ihres Ruhestandes zu finanzieren. Das leistet bei den meisten Arbeitnehmern überwiegend die gesetzliche Rentenversicherung.
Wer also ein seriöses Bild der Vermögensverteilung zeichnen möchte, muss die entsprechenden Rentenanwartschaften einbeziehen. Andreas Peichl vom Münchener Ifo-Institut weist daher darauf hin, dass der Gini-Koeffizient, mit dem die Wissenschaftler finanzielle Ungleichheit messen, dann auf einen Wert von 0,53 fällt. Deutschland bildet damit fast die goldene Mitte zwischen totaler Gleichheit und totaler Ungleichheit.
In Deutschland herrscht also mehr finanzielle Gleichheit als in den meisten anderen Ländern. Daher überrascht es auch nicht, dass die vorschnellen Umverteilungsforderungen der politischen Linken keine Unterstützung aus dem Kreis der Autoren der DIW-Studie erhalten. Markus Grabka, einer der Autoren, bevorzugt Anreize zur Vermögensbildung gegenüber Umverteilungsmaßnahmen.
Der Auftrag der Politik heißt also: Vermögensaufbau unterstützen! Der wichtigste Hebel dafür: Immobilieneigentum. Nur eine Minderheit der Deutschen wohnt in den eigenen vier Wänden. Das wird auch immer unerschwinglicher. Denn der Staat greift bei der Grunderwerbssteuer kräftig zu. In vielen Bundesländern hat sich der Steuersatz in den letzten Jahren fast verdoppelt. Die Herstellungskosten für Gebäude sind ebenfalls gestiegen, weil der Gesetzgeber die Bauherren zu immer teureren Standards zwingt. Hinzu kommt die Nullzinspolitik.
Immobilien treten immer mehr an die Stelle von Staatsanleihen für die Wertaufbewahrung, so dass Nachfrage und Preise steigen. Eine veränderte Wohnungsbaupolitik, so haben Modellrechnungen der Bundesbank ergeben, könnte eine signifikante Erhöhung der Eigentumsquote insbesondere für Haushalte mit mittleren Einkommen bewirken und damit zu einer breiteren Verteilung von Vermögen in der Mitte der Gesellschaft führen.
Das bedeutet: Auch die DIW-Forscher würden wohl den Satz unterschreiben, dass man die Schwachen nicht stärkt, indem man die Starken schwächt. In Deutschland besteht kein Grund für Alarmismus. Wer den Zusammenhalt der Gesellschaft stärken möchte, sollte seine gedankliche Energie auf die Erleichterung der Vermögensbildung in der Mitte der Gesellschaft statt auf Umverteilungsfloskeln aus der politischen Mottenkiste richten.